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K.-o.-Tropfen setzen potenzielle Opfer außer Gefecht. In hohen Dosen können sie ein Koma oder Organversagen auslösen.

Foto: APA/Scheidemann

Wien - Ein Cocktail in einer Bar, schlagartige Übelkeit und Benommenheit, am nächsten Morgen ein Filmriss. Wem es so ergeht, dem wurden möglicherweise sogenannte K.-o.-Tropfen ins Getränk gemischt; narkotisierende Substanzen also, die vor einem Raub oder einer Vergewaltigung das Opfer außer Gefecht setzen sollen.

Beweisen kann man den Einsatz von K.-o.-Tropfen nur selten. Die Substanzen sind maximal 24 Stunden im Körper nachweisbar. Das macht es nicht nur für die Betroffenen schwer - sie schieben die Gedächtnislücken dann etwa auf den Alkohol -, sondern auch für die Justiz.

Die Aufklärungsrate ist gering. Daten basieren auf Schätzungen oder Erfahrungswerte von Frauennotrufeinrichtungen. Zudem werden die Fälle in der Kriminalstatistik nicht gesondert, sondern unter dem Schlagwort "Betäubungsmittel" erfasst. Aus einer parlamentarischen Anfrage geht hervor, dass im Jahr 2013 nur 49 Fälle von Raub und eine Vergewaltigung angezeigt wurden, bei denen Betäubungsmittel im Spiel waren. Experten zufolge liege die Dunkelziffer bei über 90 Prozent.

Körpereigene Substanzen

Nach einem Filmriss herrscht erst einmal Unsicherheit, sagt Bernd Bodiselitsch. Den Betroffenen ist die Situation peinlich oder sie haben Angst, dass sie nicht ernst genommen werden. Wenn sie sich schließlich an die Polizei oder einen Arzt wenden, ist es für den Nachweis schon zu spät.

Bodiselitsch ist Geschäftsführer von Imprint Analytics, einer Firma, die mit Hilfe von Isotopenanalyse, die Herkunft von Stoffen - seien es Lebensmittel, Jeansfasern oder eben K.-o.-Tropfen - anhand ihres chemischen Fingerabdrucks identifiziert.

Gammahydroxybutyrat (GHB) und Gammabutyrolacton (GBL), die als K.-o.-Tropfen eingesetzt werden, sind deshalb schwer nachweisbar, weil sie auch ganz normale körpereigene Stoffe sind. Erst in hohen Dosen wirken sie betäubend, können ein Koma oder Multiorganversagen auslösen.

Gemeinsam mit der Medizinischen Universität Wien, dem Institut für Ethik und Recht in der Medizin und dem Bundeskriminalamt (BKA) forscht das Labor seit Herbst 2014 an Methoden, um den körpereigenen vom körperfremden Stoff anhand des "Fingerabdrucks" zu unterscheiden. K.-o.-Tropfen sollen dann vier bis fünf Tage nachweisbar sein - und so die Aufklärungsrate erhöhen.

Retraumatisierung

Das sei auch für die Opfer wichtig, sagt Maria Kletecka-Pulker, Juristin am Ethikinstitut, dem STANDARD. Einem Opfer zu sagen, dass das Geschehene nicht zu beweisen ist, könne zu einer Retraumatisierung führen. Im Rahmen des zweijährigen Projekts des Förderungsprogramms für Sicherheitsforschung (Kiras) sollen auch bessere Konzepte für das Prozedere in Verdachtsfällen sowie für Opferschutz erarbeitet werden. Krankenhaus- und Polizeipersonal müsse geschult, anonyme und unverbindliche Untersuchungsmöglichkeiten für Betroffene geschaffen werden.

Kletecka-Pulker plädiert weiters für mehr Informationskampagnen, um auch der Bevölkerung die Gefahr bewusst zu machen. (Christa Minkin, DER STANDARD, 18.2.2015)