Meryl Streep hat sich für "Into The Woods" als singende Hexe verkleidet und wurde prompt mit einer Oscarnominierung belohnt.

Foto: Disney Enterprises

Wien - Der Fasching geht gerade zu Ende, aber im Kino darf Meryl Streep weiter wahlweise die Grau- oder die Blauhaarperücke zu den gefährlichen, langen Fingernägeln tragen. Anna Kendrick hat sich als Aschenputtel verkleidet, Emily Blunt kommt schlicht im Outfit einer Bäckerin. Tracey Ullman kann in Bäuerinnentracht ihren Filmsohn Jack (Daniel Huttlestone) nicht ausreichend vor dem Abenteuer mit der Bohnenstange und zwei schlecht gelaunten Riesen bewahren. Und ein fürwitziges Rotkäppchen (Lilla Crawford) ist auch mit von der Partie im US-Märchen-Mash-up-Grusical Into the Woods.

Im besagten - und ausführlich besungenen - Märchenwald treffen all diese Kunstfiguren in Rob Marshalls jüngstem Kinofilm aufeinander, nachdem sie in den späten 1980ern bereits auf Musicalbühnen zu Gange waren (Ab in den Wald hatte 1990 auch in Westdeutschland Premiere, in Wien gab es eine Offtheater-Produktion). Die Idee dazu hatten James Lepine und Stephen Sondheim. Von Letzterem, dem Komponisten hinter Follies, Sweeney Todd oder A Little Night Music, stammen Musik und Songs, die so zwanghaft beschwingt sind, dass es schnell einmal anstrengend wird.

Grundsätzlich gruselig

Die Kostüme hat Colleen Atwood entworfen, die Hausdesignerin von Tim Burton - sie hat auch schon den Sweeney Todd- Cast eingekleidet (und vielleicht wäre Burton auch dieses Mal der geeignetere Regisseur gewesen). Allerdings fällt die grundsätzlich gruselige Note, die Atwoods Gewänder haben, bei Into the Woods eher unangenehm auf: Gedeckte (Erd-)Farben, Stricktexturen - nur Rotkäppchens entsprechend gefärbtes, weich fallendes Kapuzencape aus Leder leuchtet. Selbst Aschenputtels güldenes Ballensemble wirkt irgendwie fahl, und Johnny Depp sieht als Wolf mit Hut und Schnurrhaar eigentlich fast schon aus wie immer.

Abgesehen davon sind die Figuren und die Geschichte(n) - hauptsächlich aus den Grimm-Märchen Rotkäppchen, Aschenputtel, Rapunzel sowie dem englischen Klassiker Jack und die Bohnenranke - lieblos zusammengewürfelt. Okay, Prinzessinnen und Prinzen dürfen ein bisschen Selbstironie zeigen. Das macht die Föhnfrisuren-am-Wasserfall-Shownummer Agony ganz eindeutig klar. Aber solche Einlagen genügen noch lange nicht für eine ordentliche Parodie. Stattdessen wird man zwischen großem Drama - da stürzt jemand zu Tode, dort trifft eine andere der Schlag - und kleiner Comedy unsanft hin und her gerissen wie Meryl Streep als Hexe im Disney-Spezialeffektsturm.

Dem Hollywoodstar, der hier außerdem gegen Gesichtsprothesen, viel Wallehaar und ausladend geflochtene Schulterverzierungen anspielen muss, hat Into the Woods immerhin eine weitere Nominierung bei den Oscars eingebracht. Wenn sie die Trophäe tatsächlich gewinnen würde, dann wäre das ein fauler Zauber. Wir empfehlen als Gegenmittel dreimal hintereinander Victor Flemings Zauberer von Oz. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 18.2.2015)