Nora Bammer tritt mit ihrer Forschung auch für die Anliegen der Ureinwohner ein.

Foto: Anna Bammer

Von der Ethnomusikologie haben manche vielleicht noch nie gehört. Wissenschafter dieses Faches beschäftigen sich mit den unterschiedlichen Musiktraditionen aus verschiedenen Teilen der Welt. Als Nora Bammer vor 13 Jahren nach Wien kam, wusste auch sie nicht, dass es eine solche Studienrichtung überhaupt gibt. Diese an der Uni Wien zu entdecken war der reinste Glücksfall. Über die Ethnomusikologie konnte die gebürtige Linzerin ihre vielfältigen Interessen bestens verbinden: Rucksackreisen, andere Sprachen und Länder - und die Musik.

Nach einem Auslandssemester im ecuadorianischen Guayaquil schrieb Bammer ihre Magisterarbeit über die Marimba-Musik in Ecuador. In ihrer Doktorarbeit untersucht die 33-Jährige nun die Lieder der Shuar, der zweitgrößten indigenen Ethnie in Ecuador.

Kommunikation mit Geistern

Bekanntheit erlangten die Shuar auch durch ihr früheres Ritual, die abgeschlagenen Köpfe ihrer Feinde zu "Schrumpfköpfen" zu verarbeiten. Bammer untersucht vor allem die spirituellen Gesänge der Indigenen: Die Shuar singen, um mit ihren Geistern zu kommunizieren. Die Forscherin will die Liedtexte analysieren, den Beitrag der Lieder zur Identitätsstiftung der Shuar erheben und die Vokaltechniken der Sänger erfassen.

Zweimal verbrachte Bammer bisher Zeit bei Shuar im südöstlichen Amazonasbecken Ecuadors. Diese haben in der Vergangenheit allerdings schlechte Erfahrung mit Forschern, vor allem mit Pharmazievertretern, gemacht: "Man muss viel erklären, bis man akzeptiert wird. Ich habe oft mit dem Erzählen von Geschichten aus Österreich angefangen, und ich habe selbst Lieder gesungen."

So stimmte sie im Regenwald schon alpenländische Volkslieder an wie In die Berg bin i gern. Als Dank für die Zusammenarbeit bringt sie immer Reis, Tunfisch, Öl und Salz mit.

Keine völlig neuen Völker mehr zu entdecken

Mit Rucksack, Audiorekordern und Mikrofonen ausgestattet, mit dem Bus in den Regenwald hinein, mit dem Motorboot den Fluss entlang, über Hängebrücken balancierend: Was an die Abenteuer von Indiana Jones erinnern mag, sind Bammers Wege bei der Feldarbeit. Und diese betreibt sie aufgeklärt: "Die romantische Vorstellung der frühen Ethnologen, völlig neue Völker zu entdecken, ist heute nicht mehr relevant. Man hat so weit alles erfasst. Nun geht es um Details im sozialen Gefüge und um musikalische Kommunikationsarten." Die Shuar-Musik ist dabei "wohl wirklich noch ein weißer Fleck" auf der Landkarte der Ethnomusikologen.

Ihre Doktorarbeit schreibt die Forscherin nebenbei: 30 Stunden in der Woche betreut sie an der Donau-Uni Krems den Masterstudiengang Musikmanagement. Ihre berufliche Zukunft lässt Bammer auf sich zukommen. "Natürlich gilt die Ethnomusikologie als Orchideenfach. Es gibt in Österreich auch nur wenige Promotionsstellen. Aber vielleicht ergibt sich ja eine wissenschaftliche Stelle."

Sie sei "in der schizophrenen Situation", sowohl die Forschung wie auch ihren Brotjob gerne zu machen. In ihrer Forschung sieht Bammer einen politischen Auftrag: "In Ecuador wird die Arbeit der Interessenverbände gerade unmöglich gemacht. Es wurden die bilingualen Schulen abgeschafft." Über die Beschreibung der Shuar-Kultur versuche sie für die Anliegen der Ureinwohner einzutreten - "auch wenn ich dabei nicht an der Front stehe." (Lena Yadlapalli, DER STANDARD, 18.2.2015)