Wer pauschal gegen Ausländer hetzt, wie der wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilte Gottfried Küssel, macht sich derzeit nicht der Verhetzung schuldig. Dem Vernehmen nach soll das auch so bleiben.

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Wer gegen andere aufhetzt, soll strenger bestraft werden: Justizminister Wolfgang Brandstetter hatte im Vorjahr höhere Strafandrohungen für Verhetzung angekündigt. Das neue Gesetz sollte gemeinsam mit den übrigen Reformen im Strafrecht "bald im heurigen Jahr in Kraft treten". Nun wird es wohl erst nach Ostern sein – das Entwurfspaket ist noch nicht einmal in Begutachtung gegangen.

Neues Strafrecht ab März in Begutachtung

Anfang März soll es nun so weit sein, heißt es im Ministerium auf derStandard.at-Anfrage. Dann sollen die Neuerungen im Strafrecht präsentiert werden, sechs Wochen bleiben dann, um Stellungnahmen abzugeben.

Einige Details rund um den Entwurf für den Verhetzungsparagrafen sickern aber bereits durch. So soll es weiterhin nicht strafbar sein, Menschen gegen Ausländer oder Asylsuchende aufzuhetzen. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass der oder die Hetzende beispielsweise eine bestimmte "Rasse" (sic!) oder "Religionszugehörigkeit" definieren muss. Wer pauschal Asylwerber beleidigt und zu Gewalt gegen sie aufreizt, ist nicht vom Gesetz erfasst, und dabei soll es dem Vernehmen nach auch weiterhin bleiben. SPÖ und Grüne hatten sich im Vorjahr dafür ausgesprochen, auch der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern macht sich dafür stark.

Ferner blieb auch ungestraft, wer vor einem kleineren Publikum hetzte – das Gesetz verlangte nach einer Gruppe von mindestens 150 Personen. Dass sich das ändern wird, hatte Brandstetter ebenfalls bereits im Vorjahr angekündigt. Er wolle aber gleichzeitig dafür sorgen, dass "Stammtischgerede" nicht pönalisiert wird, so der Minister.

Neue Formulierung

Bisher musste dem Urheber der Hasstirade nachgewiesen werden, dass er "zu Gewalt aufreizt" oder eine Gruppe "in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft", wie es in sprödem Gesetzesdeutsch heißt. Da der Nachweis in der Praxis oft schwierig ist, dürfte ein weiterer Passus eingefügt werden, um andere Formen der Verhetzung zu erfassen.

Beweis schwer zu erbringen

Für Kritik sorgte nach der letzten Novelle, dass den Gerichten eine strengere Prüfung auferlegt wurde: Sie mussten nicht nur untersuchen, ob das Objekt der Hetze tatsächlich beschimpft wurde, sondern auch, ob festgestellt werden kann, dass der Urheber der Botschaft dieses Objekt dadurch "verächtlich zu machen sucht". Was auf den ersten Blick wie eine unnötige Doppelung klingt, bedeutet in der Praxis, dass nicht nur erwiesen sein muss, dass der oder die (mutmaßlich) Hetzende eines anderen Würde verletzt hat, sondern auch, dass er oder sie dies ganz bewusst getan hat, um diesen anderen zu erniedrigen. Die Strafrechtsprofessorin Katharina Beclin von der Uni Wien hält das für eine "problematische Verknüpfung", die "sehr schwer nachweisbar" sei. Trotzdem, so hört man, soll sie weiterhin im Gesetz enthalten sein.

Kritik an höheren Strafen

Die geplante Heraufsetzung der Strafandrohung auf Verhetzung wird scharf kritisiert, hohe Haftstrafen schreckten niemanden ab, eine Gefängnisstrafe bewirke kein Umdenken, so die Argumentation der Gegner. Die Kritik kam auch von Susanne Reindl-Krauskopf, die vom Justizminister angeheuert wurde, um mit anderen Experten Reformvorschläge im Strafrecht auszuarbeiten. Von härteren Strafen bei Hetze findet sich in diesen Vorschlägen zwar nichts, doch hatten Brandstetter und Integrationsminister Sebastian Kurz das Thema Hetze im vergangenen Sommer für sich entdeckt: Der Fußball-Platzsturm in Bischofshofen und Hetz-Postings auf Kurz' Facebookseite hatten bei den Ministern ein besonderes Maß an Sensibilität für Hetze von islamistischer Seite bewirkt. Zuvor hatte bereits Andreas Mölzers Schimpftirade auf die Europäische Union – und die Zurücklegung der Verhetzungsanzeige – für Aufregung gesorgt.

Fraglich ist jedoch, ob höhere Strafen tatsächlich von Hetze abhalten: Die Verurteilungsquote ist nämlich äußerst gering. Nur drei Prozent der Verfahren endeten 2013 in einer strafgerichtlichen Verurteilung – im Gesamtdurchschnitt aller Strafverfahren sind es 21 Prozent. Zuletzt hatte eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft Linz im Umgang mit einem antisemitischen Posting für Aufregung gesorgt (derStandard.at berichtete).

Von Nadeln und Heuhaufen

Kriminalsoziologen wie Lars Ostermeier vom Wiener Zentrum für Sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung warnen vor schärferen Gesetzen gegen Hetzer. "Anstatt den Heuhaufen zu vergrößern, sollte man versuchen, die Suche nach der Nadel effizienter zu gestalten", so Ostermeier. Anders gesagt: Solange die Strafverfolgungsbehörden weiterhin Verhetzung nicht als solche benennen, nützten auch hohe Strafandrohungen nichts.

Dazu kommt, dass etwa im Bereich rassistischer Hetze "meistens die verurteilt werden, die jung, blöd und männlich sind", sagt SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr, die sich im Rahmen ihrer Dissertation wissenschaftlich mit dem Thema Verhetzung auseinandersetzt. "Die, die in der Szene strategisch die Fäden ziehen, werden nie erwischt – sie wissen ganz genau, was sie wie sagen können."

Robert Eiter vom Mauthausen-Komitee warnt davor, angesichts der aktuellen Ereignisse nur eine Ausprägung der Hassrede zu betrachten: "Die Politik spricht von Verhetzung und denkt dabei nur an Jihadismus", so Eiter, "und vergisst dabei völlig auf die Rechtsextremen." (Maria Sterkl, derStandard.at, 17.2.2015)