Wien/Innsbruck - Es sieht aus wie eine simple Milchmädchenrechnung, beschreibt aber überraschend akkurat einen recht komplexen Sachverhalt: wie viel CO2 Landpflanzen binden und daraus Biomasse produzieren. Mit der von einem Forscherteam mit österreichischer Beteiligung aufgestellten Formel, bei der lediglich drei Werte multipliziert werden, können regionale Unterschiede der pflanzlichen Bruttoprimärproduktivität beschreiben werden. Die Formel bleibt selbst bei Extremereignissen gültig, berichten die Wissenschafter im Fachmagazin "PNAS".

Die sogenannte Bruttoprimärproduktivität (BPP) sagt aus, wie viel Biomasse die Pflanzen bilden und wie viel CO2 aus der Atmosphäre sie binden. Die Forscher rechneten die pflanzliche BPP des produktivsten Tages im Jahr mal der Länge der Vegetationsperiode und einem lokalen Faktor. Damit konnten sie die Variabilität der BPP an 213 Messorten in Europa - von denen sich vier in Österreich befinden - und von Satellitendaten errechnete BPP-Werte aus ganz Nordamerika zu mehr als 90 Prozenten erklären, berichten sie.

Unerwartet treffsicher

"Die Idee ist fast so einfach, dass sie nicht funktionieren sollte, aber sie tut es eben sehr gut", sagte Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck. Der lokale Faktor würde für die meisten Gebiete in einen schmalen Bereich um die Zahl 0,62 liegen. Freilich gäbe es auch Abweichungen, etwa wenn auf landwirtschaftlichen Flächen im Jahresverlauf sehr unterschiedliche Pflanzen angebaut werden oder durch die fehlende Saisonalität in den Tropen, wo der Faktor daher in Richtung eins tendiere.

Mit der Formel könne man nicht nur die räumliche Variabilität der BPP erklären, sondern auch ausrechnen, wie die Vegetation nach Klimaextremen und Störungen reagiert, so die Forscher. Sie bewährte sich etwa, die Regeneration nach der Hitze- und Trockenheitswelle in Europa 2003 und nach einem großen Waldbrand in South Dakota (USA) im Jahr 2000 zu beschreiben, berichten sie.

Ergänzende Methode

Die globalen Modelle zur BPP würden zwar viel stärker als diese einfache Formel auf den tatsächlichen natürlichen Prozessen aufbauen, aber die unterschiedlichen Vegetationsformen seien oft in nur zehn verschiedene Klassen aufgeteilt, so Wohlfahrt. So werden etwa alle Grasländer und alle landwirtschaftlichen Flächen jeweils in eine einzige Schublade gesteckt. Er sehe den neuen Rechenansatz nicht als Konkurrenz, sondern Ergänzung zu den vorhandenen Modellen.

Die BPP weltweit exakt zu bestimmen, sei vor allem in Hinblick auf den Klimawandel wichtig, meinen die Forscher. Die Hälfte des durch menschliche Aktivitäten emittierten Treibhausgases CO2 landet in der Atmosphäre und führt zum bekannten Treibhausgaseffekt, so Wohlfahrt. Ein Viertel wird von den Ozeanen aufgenommen und ein Viertel von den Landökosystemen. "Ohne diese beiden Senken würde die CO2-Konzentration in der Atmosphäre also doppelt so schnell steigen und der Klimawandel entsprechend schneller vonstatten gehen", sagte er. Die Studie solle helfen zu verstehen, von welchen Faktoren die Land-CO2-Senke gesteuert wird und wie sie sich in Zukunft vermutlich verhält. (APA/red, derStandard.at, 17.2.2015)