Klagenfurt - Zu den Vorbehalten gegenüber der Kunstform Oper zählt jener, dass wir einander in Wirklichkeit nicht den ganzen Tag ansingen. Francis Poulencs Karmelitinnen, die Robespierres Blutgerüst entgegenschreiten, sind ein ernsthaftes Argument dagegen.

Einerseits könnten sich diese sechzehn Glaubenskämpferinnen gar nicht passender artikulieren als in inbrünstigen Gesängen. Andererseits hat der französische Komponist eine spektakulär ungekünstelte und sublime Partitur geschaffen.

In deren Interpretation lizitieren sich Alexander Soddy am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters und Richard Brunel als Regisseur jetzt am Klagenfurter Stadttheater auf ein phänomenales Niveau. Es ist eine Produktion, die keinen Wunsch offenlässt außer jenem, dass die Politik endlich von der Einmengung in Glaubensfragen absehen möge, was gerade das Thema ist.

Die Neue Musik ist im 20. Jahrhundert mit einem Überaufgebot an harmonischen Umwälzungen und ungewohnter Spezialinstrumente angetreten. Poulenc hat in seinen 1957 in Mailand uraufgeführten Dialogues de carmélites darauf verzichtet.

Heroisch-unheroische Altpriorin

Allerdings vermochte er es, auch einem Orchester in weitgehender Verdi-Besetzung und einer Stimmführung in durchgehender Tonalität äußerst heutigen und gefühlsgenauen Ausdruck zu verleihen. Wie Betsy Horne wunderbar anstrengungslos die sanft bestimmten Melodienbögen der neuen Priorin durchschwebt, wie Heidi Brunner den davon klar abgesetzten Charakter der ganz vernunftbestimmten Subpriorin Marie trifft, oder wie Laura Tatulescu die prophetisch todesängstliche Blanche verkörpert ist stimmlich ein Erlebnis und szenisch perfekt realisiert.

Marianne Eklöf ist als heroisch-unheroische flagellantische Altpriorin berührend. Das Ensemble samt dem kompositionsbedingt diesmal auf den Dienst am Ganzen beschränkten Chor erlebt man nur in Glücksfällen so harmonisch wie hier.

Dem Franzosen Brunel, seit 2010 Intendant der Comédie de Valence, genügen ein paar aufgespannte weiße Tücher, um den sonnigen Klosterhof der 1906 seliggesprochenen Nonnen von Compiegne ebenso zu evozieren wie den späteren blutigen Übergriff der Schergen der Französischen Revolution.

Das von der Masse im Blutrausch auf die Tuchwände geschmierte Wort "Salopes", das so viel wie "Huren" bedeutet, steht in erschütterndem Gegensatz zur allmählich reifenden Überzeugung der Nonnen, dass es unerträglich ist, wenn in einem angeblich zivilisierten Land Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt werden. So opfern sie ihre armen kleinen Leben einer Freiheit, die weiter reichen sollte, als es jene auf den Parolen von 1789 tat. (Michael Cerha, DER STANDARD, 17.2.2015)