Kiew/Moskau – Nach neuen Kämpfen steht das Minsker Abkommen für einen Frieden in der Ostukraine auf der Kippe. Das ukrainische Militär lehnte am Montag den Abzug der Artillerie aus der Region ab und begründete dies mit dem Bruch der Waffenruhe durch die prorussischen Rebellen. Deren Anführer Denis Puschilin sagte daraufhin laut der Agentur Interfax, die Separatisten würden nur Waffen zurückziehen, wenn die Regierungstruppen dies ebenso täten. Dem Vertrag zufolge müssen beide Seiten ab Dienstag ihre schweren Waffen abziehen. Seit Beginn der Waffenruhe am Sonntag um 00.00 Uhr wurden der Armee zufolge mindestens fünf Soldaten getötet und 25 verletzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, es gebe keine Garantie für den Erfolg von Minsk. Die EU setzte wie geplant weitere Sanktionen gegen Separatisten und russische Politiker in Kraft, darunter den Vizeverteidigungsminister.

Vor allem um den Verkehrsknotenpunkt Debalzewe, der zwischen den Rebellengebieten Donezk und Luhansk liegt, wurde weiter gekämpft. Augenzeugen berichtete von zahlreichen Granateneinschlägen. Die Separatisten behaupten, der Ort und die ukrainischen Soldaten darin seien eingekesselt, die Ukraine bestreitet das. Nach Angaben des ukrainischen Militärs haben die Rebellen den Befehl erhalten, den strategisch wichtigen Ort um jeden Preis einzunehmen. Die Separatisten boten laut Interfax an, einen Korridor zu öffnen, damit die Regierungssoldaten abrücken können. Sie müssten aber ihre Waffen abgeben. Kiew lehnt einen Abzug jedoch ab. Auch in Donezk meldete das ukrainische Militär den Beschuss eines Stadtteils durch prorussische Rebellen. Die eigenen Truppen hielten sich aber an den Waffenstillstand.

In Minsk hatten die Kriegsparteien in der vergangenen Woche einen Waffenstillstand beschlossen. Spätestens zwei Tage nach seinem Beginn sollte mit dem Abzug schwerer Waffen kleineren Kalibers aus einer 50 Kilometer breiten Pufferzone begonnen werden. Größere Kaliber sollten um 75 Kilometer und Raketensysteme um 140 Kilometer zurückverlegt werden. Ausgehandelt wurde das Abkommen von Deutschland, Frankreich, der Ukraine und Russland.

Merkel appellierte an die Konfliktparteien, den Waffenstillstand einzuhalten. "Die Lage ist fragil", sagte sie, was in Bezug auf Debalzewe nicht anders zu erwarten gewesen sei. Sie habe immer gesagt, eine Garantie für den Erfolg des Abkommens gebe es nicht: "Es ist ein extrem schwieriger Weg."

Vizeverteidigungsminister auf Sanktionsliste

Die EU erweiterte ihre Sanktionsliste, mit der sie Separatistenführer sowie russische Führungspersönlichkeiten treffen will. Unter den 19 neuen Namen auf der Liste sind der russische Vizeverteidigungsminister Arkadi Bachin und Verteidigungsstaatsekretär Anatoli Antonow. Auch den stellvertretenden Generalstabschef Andrej Kartapolow treffen Einreiseverbote oder Kontensperrungen. Auf der Liste steht zudem der russische Sänger Iosif Kobson. Dem 77-Jährigen, der auch im russischen Parlament sitzt, wird vorgeworfen, die Separatistenhochburg Donezk besucht zu haben und die Rebellen zu unterstützen. Ferner treffen die Sanktionen auch mehrere Organisationen der Separatisten in der Ostukraine. Das russische Außenministerium erklärte, man werde angemessen auf die Sanktionen reagieren.

Die neuen Strafmaßnahmen waren bereits vergangene Woche beschlossen worden. Die EU wirft Russland vor, die Separatisten in der Ukraine mit Kämpfern und Waffen zu versorgen. Russland bestreitet das. (Reuters, 16.2.2015)