Nach Testphasen und Versuchsanordnungen aller Art kommt sie nun also erschreckend bald zum flächendeckenden Einsatz: die Zentralmatura als bildungspolitisches Allheilmittel gegen soziale Unterschiede und schulische Besonderheiten. Über gehäuft auftretende unerwünschte Nebenwirkungen können allerdings leider weder Arzt noch Apotheker befragt werden. Selbst engagierte Lehrerinnen und Lehrer laborieren, gemeinsam mit den ihnen anvertrauten Prüflingen, an schwerer Ratlosigkeit.

Denn die schöne neue Zentralmaturawelt birgt allerhand (böse) Überraschungen. Für Schüler, Lehrer - und für Gabriele Heinisch-Hosek, die offenbar nicht erwartet hat, dass Schülerinnen und Schüler tatsächlich tun, was ihnen vom Bildungsministerium verordnet wurde: nämlich ihre vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) auf die dafür vorgesehene Plattform hochzuladen. Blöderweise war der Server überlastet. Bis Donnerstagnachmittag konnte gerade einmal die Hälfte der Arbeiten hochgeladen werden. Man glaubt sofort, dass Elternvertreter schon vor einem Jahr genau vor diesem Chaos gewarnt haben - aber ignoriert wurden.

Mit einiger Verspätung sowie den üblichen Beschwichtigungsphrasen und Beruhigungsfloskeln stockte Frau Heinisch-Hosek das Personal auf und tauschte die Leitung des Projektteams aus. Das erinnert frappant an Bifie-Leaks, als im Vorjahr 400.000 vertrauliche Schüler- und an die 40.000 Lehrerdaten unverschlüsselt ins Netz gelangten. Damals mussten die Bifie-Chefs gehen. Nur die Ministerin sitzt bis heute fest im Sattel. Weil, nein!, schuld ist am jüngsten Skandal eh nicht ihr Ministerium, sondern übereifrige Matura-Anwärter und deren zu große Datenmengen. Diese Art der politischen Verantwortung ist stimmig für die Pleiten- und Pannenorgie namens Bildungspolitik im Allgemeinen und die Zentralmatura im Besonderen.

Da werden Benotungsschlüssel hinauf- und hinunterdekliniert; Prüfungstexte entpuppen sich als nationalsozialistischer Schrott; da wird "Bildung" flächendeckend durch den Allerweltsbegriff "Kompetenz" ersetzt (im Ministerium scheint beides Mangelware). Egal, ob Sprachschwerpunkt oder naturwissenschaftlicher Zweig: Alle Prüflinge müssen identes Wissen ausspucken. Spätestens da wird auch klar, was unter der so viel beschworenen individuellen Förderung zu verstehen ist: nichts nämlich.

Frontalunterrichtete Schüler, deren wichtigste Qualifikation für eine erfolgreiche Schulkarriere vor allem angepasstes Bulimielernen ist, sollen plötzlich mit einer vorwissenschaftlichen Arbeit eigenverantwortliche Recherchekompetenz beweisen.

Doch just die VWA zementiert (auch) Chancenungleichheit zwischen Jugendlichen aus bildungsnahen und -fernen Schichten. Denn für deren Gelingen braucht es neben einer (teuren) technologisch adäquaten Ausstattung wie Computer und Drucker und einer gewissen Affinität zu Büchern auch engagierte Eltern. Die aus Medien von den Serverproblemen wissen - und auch, dass zur Not ein Stick den gebundenen Arbeiten beigelegt werden kann.

Das Ministerium selbst informierte, sagen wir, schütter. Würde eine Aufgabe der Zentralmatura lauten, ein Konzept für eine Zentralmatura zu entwickeln, so würde Kandidatin Gabriele Heinisch-Hosek mit einem glatten "Nicht genügend" durchfallen.(Andrea Schurian, DER STANDARD, 14.2.2015)