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Österreichs Leiharbeiter sind vergleichsweise gut abgesichert, viele von ihnen dennoch unzufrieden.

Foto: AP/Schuermann

Wien - Johann Kalliauer findet für Zeitarbeit harte Worte. Sie bedeute Unsicherheit und damit weniger Kreditwürdigkeit, sagt der Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich. Kein Betriebsbesuch vergehe, bei dem er nicht auf Leute treffe, bei denen er sich frage, warum sie nicht regulär, sondern nur als Leiharbeiter beschäftigt seien. Zumal manche bis zu zehn Jahre beim gleichen Unternehmen dienten.Zeitarbeit für die Abdeckung von Auftragsspitzen und in Zeiten ungewisser Auslastung sei ja nachzuvollziehen. "Aber was ist der Zweck der Übung, wenn sie Dauereinrichtung wird?"

Österreich habe für Leasingpersonal aufgrund eines eigenen Kollektivvertrags Europas beste soziale und arbeitsrechtliche Absicherung, sagt Kalliauer. Vieles jedoch lasse sich nicht per Gesetz regeln. Betriebe, die Zeitarbeit vorbildlich pflegen, seien in der Minderheit. In der Branche grassierten Unsitten: Dass Mitarbeiter etwa bei Krankheit zu einvernehmlichen Lösungen gezwungen werden, passiere hier weit häufiger als bei regulären Dienstverhältnissen.

Arbeitsklimaindex düster

Die Sozialforscher Sora und Ifes klopfen die Branche seit 2011 auf ihre Befindlichkeiten ab. Für 2014 fällt ihr Arbeitsklimaindex düster aus. 79 Prozent der befragten Zeitarbeiter kommen mit ihren Gehältern nicht oder kaum über die Runden. Zum Vergleich: Von den sonstigen Beschäftigten sieht jeder Zweite wenig finanziellen Spielraum. Aufstiegsmöglichkeiten orten nur 26 Prozent der Leiharbeitskräfte. Doppelt so viele wie unter regulär Angestellten klagen über fehlenden sozialen Anschluss im Job, Isolation und Zeitdruck. Vor allem Arbeiterinnen auf Zeit fühlen sich im Abseits. Jede sechste würde gerne den Betrieb wechseln, jede achte den Beruf - drei Viertel der Frauen halten das aber in Ermangelung von Alternativen für aussichtslos.

2,3 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer sind sogenannte Überlassene. Vier Prozent etwa sind es in Großbritannien. Ein Anteil, den Christoph Hofinger vom Sora-Institut für nicht erstrebenswert hält.

Personalverleiher wie Hermann Danner, der die Branche in der Wirtschaftskammer OÖ vertritt, räumten kürzlich im Standard-Gespräch ein, dass der starke Preisdruck auf dem Markt einzelne Überlasser in Graubereiche treibt. Generell sei man aber bemüht, sie über gesetzliche Regelungen aufzuklären. Zudem bildeten Überlasser ihre Leute zunehmend selbst zu Fachkräften aus. Tatsache sei, dass die Wirtschaft aufgrund von Just-in-time-Lieferungen extreme Flexibilität brauche. Günther Jörg, Chef des Dienstleisters Infaction, verweist auf eine Relation zwischen dem Bruttoinlandsprodukt eines Landes und seinem Anteil an Zeitarbeit. So sei dieser in stark industrialisierten Staaten besonders hoch. "Offenbar brauchen moderne Volkswirtschaften Flexibilität." Für Kalliauer hält diese Rechnung einer wissenschaftlichen Prüfung nicht stand.

Geringe soziale Mobilität

Die Krise vertieft auch an anderer Front eine Kluft auf dem Arbeitsmarkt. Ein Fünftel der Arbeitnehmer in Österreich hat Migrationshintergrund. Zwei Drittel unter ihnen rechnen sich kaum Aufstiegschancen im Job aus - wobei es hier nicht nur ums Chefwerden gehe, sondern um Möglichkeiten zur Qualifizierung und Übernahme von Verantwortung, sagt Ifes-Experte Reinhard Raml. Unter den Österreichern ohne Migrationshintergrund macht jeder Zweite berufliche Entwicklungschancen für sich aus.

Beschäftigte mit türkischem Hintergrund schaffen der neuen Studie zufolge in erster wie zweiter Generation gleich selten den Sprung in Führungsjobs. Mehr als die Hälfte sind Arbeiter, bis zu 60 Prozent verfügen nur über den Pflichtschulabschluss. Unter Arbeitnehmern mit Wurzeln in Osteuropa steigt der Anteil jener, die Karriere machen, in zweiter Generation um das Doppelte bis Dreifache. Nicht nur die soziale Mobilität, auch der Anteil an Frauen unter ihnen, die im Erwerbsleben stehen, ist deutlich höher. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 14.2.2015)