Bei allem Populismus, Nationalismus und Machthunger muss man Ungarns Premier Viktor Orbán eines zugutehalten: Er hat einen Zug zum Pragmatismus, mit dem es ihm immer wieder gelingt, der Gefahr einer Isolation innerhalb der EU zu entkommen. Sein jüngster Deal mit den ausländischen, vor allem österreichischen Banken ist ein solches Beispiel.

Nach mehreren Jahren des Schröpfens durch eine exzessiv hohe Bankenabgabe und der Zwangskonvertierung von Frankenkrediten geht Orbán nun eine Partnerschaft mit der multilateralen Osteuropabank EBRD ein, senkt die Steuer und lädt die EBRD zu gemeinsamen Bankbeteiligungen ein. Der gequälte Erste-Group-Chef Andreas Treichl nimmt das Angebot mit Handkuss an, weil er so seine Risiken reduziert - und Orbán ist mit einem Schlag in internationalen Bankenkreisen wieder salonfähig. In der Autoindustrie war er das immer: Diese hat auch auf dem Höhepunkt der europäischen Kritik an Orbáns autoritärem Regierungsstil fleißig in Ungarn investiert.

Auf ähnliche Weise kokettiert Orbán zwar mit Russlands Wladimir Putin, wird aber die Brücken zum Westen wohl niemals abbrechen. Das ist für alle Ungarn, die sich durch und durch als Europäer fühlen, beruhigend. Aber sie müssen auch einsehen, dass ihr katzenhaft geschmeidiger Premier noch einige Leben besitzt. Alten und neuen Orbán-Gegnern steht noch ein langer Winter bevor. (Eric Frey, DER STANDARD, 10.2.2015)