Bild nicht mehr verfügbar.

Wenn die Migration zunehme und immer mehr Frauen arbeiten, dann müsse man Vollbeschäftigung neu definieren, sagt ÖGB-Chef Erich Foglar.

Foto: apa/pfarrhofer

Wien - ÖGB-Chef Erich Foglar hat angesichts der Rekordarbeitslosigkeit in Österreich darauf hingewiesen, auch das Beschäftigungsplus hierzulande zu berücksichtigen. Seit 2011 sei die Zahl der Erwerbstätigen um 100.000 Personen gestiegen, aber nur 60.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden, sagte Foglar am Montag bei einer Podiumsdiskussion in der Oesterreichischen Nationalbank in Wien.

Der überwiegende Teil der neuen Erwerbstätigen sei aus den 2004 beigetretenen osteuropäischen EU-Mitgliedsländern gekommen, aber auch mehr Frauen hätten auf den österreichischen Arbeitsmarkt gedrängt. Der Begriff Vollbeschäftigung müsse unter den "völlig veränderten" europäischen Rahmenbedingungen neu definiert werden, so Foglar. Angesichts der Wachstumsschwäche, der historisch hohen Arbeitslosigkeit und einem seit sieben Jahren andauernden Nettoreallohnverlust für die Arbeitnehmer in Österreich, ortet der ÖGB-Chef an vielen Stellen einen Änderungsbedarf: "Es gibt kein Patentrezept, wir müssen an 1.000 Schrauben drehen. Die einfachen Antworten gibt es nicht mehr."

Cernko: Investoren roten Teppich ausrollen

Bank-Austria-Chef Willibald Cernko forderte bei der Podiumsdiskussion "dringend Investitionen anzustoßen" - etwa im Bereich Energie, Breitband und "Industrie 4.0". Der Staat sei gefordert, und könne dafür "ruhig auch Schulden machen". Das rechne sich und sei kein Widerspruch zum ordentlichen Haushalten. Mit den verschärften Bankenregulierungsvorschriften von Basel III könnten Banken aber Start-ups nicht mehr Risikokapital zur Verfügung stellen, so der Bank-Austria-Chef. Anstelle von Banken müssten nun Vermögende diese Lücke schließen, und zum Investieren motiviert werden: "Wir müssen ihnen den roten Teppich ausrollen. Es gibt genug Reiche in Österreich", sagte Cernko. Im Vergleich zu Wien habe es Berlin geschafft, viel Risikokapital für Start-ups anzuziehen.

Der ÖGB-Chef plädierte erneut für einen Richtungswechsel auf europäischer Ebene angesichts der nicht erfolgreichen Spar- und Strukturpolitik. "Europa ist der Wachstumszwerg, in vielen Ländern der EU auch Arbeitslosenkaiser." Der Wirtschaftskrisenauslöser USA habe hingegen wieder an wirtschaftlicher Dynamik gewonnen. In Österreich und Europa fehle es am Konsum und Investitionen. Aufgrund der Politik der Europäischen Zentralbank gebe es "Geld wie Sand am Meer", es komme aber nicht in der Realwirtschaft an. "Die Geldschwemme hat wieder zum Boom der Börsen geführt", kritisierte der ÖGB-Chef. Finanzprodukte wie Derivate würden aber keine Arbeitsplätze schaffen.

NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn sprach sich für ein "einfacheres und gerechteres Steuersystem aus", um dem Pessimismus bei Unternehmen und Beschäftigen entgegenzuwirken. Schellhorn gab ein plakatives Beispiel: Beschäftigte in der Hotellerie würden sich 1.350 Euro pro Monat nach KV bezahlen lassen und zusätzlich 400 Euro "schwarz" verlangen, um Steuern zu sparen. Eine Reform des Steuersystem sei daher dringend notwendig. (APA, 9.2.2015)