Unterqualifiziert? Überqualifiziert? Aussortiert.

Foto: istock

Der Frust nach den Bewerbungsschreiben? "Ist es der Lebenslauf, das Anschreiben oder doch das Bild?" diese Frage stellen sich viele Bewerberinnen und Bewerber, nachdem sie statt einer Einladungen zum Interview die standardisierte Absage der HR-Abteilung bekommen. Günther Strenn, Geschäftsführer von USG Professionals Österreich, versucht die Gründe für die Absagen zu erklären.

Wer sich für eine Position in einem großen Unternehmen oder einem Konzern bewirbt, muss damit rechnen, dass die für HR verantwortliche Person nur wenige Sekunden für das Durchsehen der eingelangten Bewerbung hat. Laut einer Studie von "The Ladders", wenden Recruiter großer Unternehmen im Schnitt 6,2 Sekunden pro Lebenslauf auf.

Günther Strenn: "In einem großen Unternehmen bewerben sich im Schnitt 250 Bewerber pro Ausschreibung. Aus diesem Grund bleibt den HR-Verantwortlichen nichts anderes übrig, als die CVs innerhalb weniger Sekunden auf die relevanten Keywords zu überfliegen. Dabei wird verstärkt auf die bisherigen Positionen und ihre Ausübungsdauer, Unternehmen und Ausbildung geachtet sowie auf die in der Job-Ausschreibung bereits vorgegebenen Schlagwörter. Um nicht sofort durch das Keyword-Raster zu fallen ist es daher ratsam, den Lebenslauf und das Motivationsschreiben an die einzelnen Jobausschreibungen und darin vorgegebene Keywords anzupassen."

Das Beachten bestimmter Schlüsselworte ist besonders dann wichtig, wenn die erste Stufe des Auswahlverfahrens mit einem Computerprogramm bewerkstelligt wird. Diese Programme scannen demnach "gnadenlos" nach ihnen vorgegebenen Mustern sowie Worten und sortieren gnadenlos aus.

Tipp- oder Rechtschreibfehler: "Fatal"

Ein einzelner Tipp- oder Rechtschreibfehler kann dafür sorgen, dass gleich die gesamte Bewerbung aussortiert wird. Laut einer Umfrage von "Careerbuilder" sind Tipp- und Rechtschreibfehler für 61 Prozent der Personal-Manager ein Knockout-Kriterium. Auch schlechte Formatierung oder das falsche Format der Bewerbungsunterlagen können die Einladung zum Interview kosten.

Professionelle e-Mail Adresse ist ein Muss

Das Benutzen einer nicht professionellen e-Mail Adresse lässt bei 76 Prozent der Personalmanagern die Bewerbung noch vor dem Öffnen der Bewerbungsunterlagen in den "Leider Nein"-Ordner wandern.

Strenn dazu: "Nicht nur, dass eine e-Mail Adresse mit Nickname eine höhere Chance hat, automatisch im Spamordner zu landen und so gar nicht gesehen zu werden – sie sind auch ein ausschlaggebendes Knockout-Kriterium bei der Bewerbungsselektion. Oder können Sie jemanden, der sich "Darkangel" oder "Schnucki123" nennt, tatsächlich in einer höheren Management-Position vorstellen?"

Social Media-Pflege nicht vernachlässigen

Das Vergleichen und Ergänzen der Bewerbungen mit den Profilen in den Sozialen Medien gehört mittlerweile zu einem Standard-Verfahren im Recruiting in vielen Konzernen. Da der Großteil der Recruiter und Personalmanger an die 20 Prozent ihrer Arbeitszeit in Karriere-Netzwerken wie LinkedIn oder Xing verbringen, ist es empfehlenswert, ein gut strukturiertes und gepflegtes Profil in beiden Netzwerken anzulegen. Aber auch Facebook-Profile werden von Personalisten unter die Lupe genommen. Hier sollten vor allem keine unseriösen Profil- und Coverfotos aufscheinen, adäquate und sachdienliche Informationen können zuweilen von Vorteil sein.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Eine Position zu besetzen dauert in der Regel eineinhalb bis zwei Monate, sagt Strenn. Das ist die Zeit zwischen dem Erstellen eines Anforderungsprofils für die Bewerber bis zur Unterzeichnung des Vertrags.

"In der Regel bewerben sich in die ersten Kandidatinnen und Kandidaten bereits wenige Minuten nachdem die Ausschreibung veröffentlicht wurde. Das bedeutet auch, dass nach drei bis vier Wochen die ersten Einladungen zum Interview bereits stattgefunden haben. Bewirbt man sich erst zu diesem Zeitpunkt, schmälert das natürlich die Chancen, noch zu einem Gespräch eingeladen zu werden. Aus diesem Grund sollte man sich wenn möglich täglich über die neuesten Ausschreibungen informieren".

Voraussetzungen nicht erfüllt

Besonders frischgebackene Hochschulabsolventen tendierten dazu, sich für Positionen zu bewerben, für die sie nicht genug Arbeitserfahrung mitbringen, konstatiert Berater Strenn. Zwar treffen die Ausbildungsanforderungen dann weitgehend zu, diese würden jedoch meistens weniger stark gewichtet als die Anforderungen hinsichtlich der Berufserfahrung. "Aus jahrelanger Erfahrung kann ich berichten, dass ca. 50 Prozent der Bewerbungen nicht auf die ausgeschriebene Position zutreffen oder mit dieser übereinstimmen", so Strenn. "Dabei werden unterqualifizierte Bewerbungen genauso aussortiert wie überqualifizierte."

Dass bei solcher Art Mechanik des Aussortierens gemäß ganz engen Jobprofilen auch den Unternehmen viel entgeht, das ihnen nützen könnte, lässt Strenn unerwähnt.

Bewerbung intern weiterleiten lassen

Bekommen Personalmanager Bewerbungen von ihren Mitarbeitern weitergeleitet, werden diese genauer angeschaut. Es ist zwar kein Garant um zu einem Interview eingeladen zu werden, dennoch erhält die Bewerbung eine intensivere Aufmerksamkeit des Recruiters. Auch eine persönliche Empfehlung, etwa durch ehemalige Arbeitskollegen, kann dazu führen, dass die Unterlagen gründlich durchgesehen werden oder im Sinne einer Referenz eine zusätzliche Information über die Bewerber gewonnen werden kann. (red, derStandard.at, 08.01.2015)