Cambridge/Zürich - Organische Rückstände aus Deos, Zahnpasta und Duschgels schaden der Fauna in heimischen Gewässern mehr als gedacht: Eine Forschergruppe mit österreichischer Beteiligung konnte nun nachweisen, dass sich diese Schadstoffe in Seen und in Dauereiern von Wasserflöhen ablagern. Wurden diese im Labor diesem Chemikalien-Mix ausgesetzt, schlüpften die Kleinkrebse früher und wiesen auch höhere Sterberaten auf. Das könnte Folgen für See-Ökosysteme haben, berichten die Forscher im Fachblatt "Environmental Toxicology and Chemistry".

Die von den Forschern untersuchten organischen Schadstoffe kommen etwa in Duschgels, Zahnpasta, Deos, Sonnen- und Rostschutzmitteln vor oder werden als Fungizide in der Landwirtschaft und in Wandfarben eingesetzt, erklärte der österreichische Zoologe Markus Möst, der aktuell an der Universität Cambridge forscht. "Das sind also Substanzen, die im Alltag von jedem von uns verwendet werden und von denen wir gar nicht wissen, dass wir das dann in die Natur einbringen", so der Forscher.

Kaum erforschte Umweltgifte

Diese Schadstoff-Gruppe wurde bisher kaum wahrgenommen, weil sie sich nicht leicht nachweisen lässt. In den vergangenen Jahren wurden aber Methoden entwickelt, um sie zu messen. Wie "umweltrelevant" diese Substanzen sind, liege laut Möst aber noch weitgehend in Dunkeln.

In einer ersten Studie wiesen die Forscher nach, dass sich die Schadstoffe am Grund von Seen ablagern. In weiteren Untersuchungen wurde klar, dass sie auch in Dauereiern von Wasserflöhen der Gattung Daphnia im Greifensee (Schweiz) zu finden sind.

Die Dauereier werden von den Wasserflöhen sozusagen im Seeboden gebunkert, um dann zu schlüpfen, wenn die Umweltbedingungen günstig sind. So kann eine Population auch Zeiten überdauern, in denen für ihre übliche Fortpflanzungsstrategie schlechte Bedingungen herrschen. Die Dauereier können dort über viele Jahre hinweg liegen und kommen in dieser Zeit auch mit den Schadstoffen in Berührung.

Sterblichkeit vervierfacht

Im Labor setzten Möst und seine Kollegen Eier dann für kurze Zeit einer dafür relativ hohen Konzentration des im See gefundenen Schadstoff-Mixes aus, um herauszufinden, ob sie davon überhaupt beeinflusst werden. "Das konnten wir relativ eindeutig zeigen", so Möst, der die Untersuchungen am Schweizer Forschungsinstitut Eawag Dübendorf und an der ETH Zürich durchgeführt hat. Die Schlupfrate hat in den Experimenten um rund 23 Prozent zugenommen, während sich die Sterblichkeit vervierfacht hat: Sie lag in der den Chemikalien ausgesetzten Gruppe bei rund 96 Prozent. Das wäre für die Tiere doppelt schlecht, da sie lange andauernde schwierige Zeiten schlechter überbrücken können, wenn sie schneller schlüpfen und dann auch noch mit weit höherer Wahrscheinlichkeit schnell dahingerafft würden.

Ob das auch im See in etwa so abläuft, könne man zwar auf diese Weise nicht beantworten. Die Ergebnisse seien aber trotzdem "alarmierend", so der Forscher - vor allem, da die hier untersuchte Wasserfloh-Art für die Ökosysteme in Voralpenseen "von eminenter Bedeutung" ist. Sie fressen nämlich Algen und verhindern damit, dass sich die Wasserpflanzen unkontrolliert vermehren. Die Flöhe wiederum werden von den Fischen gefressen. Fehlen sie, brechen auch die Fischbestände ein. (APA/red, derStandard.at, 5.2.2015)