Der PR-Ethikrat wurde 2008 als Selbstkontrollorgan der Branche gegründet. Unter Langenbuchers Ägide war das Gremium mit 112 Fällen konfrontiert. Das Ergebnis: 15 Rügen und 14 Mahnungen. Nachfolger Langenbuchers und damit neuer Vorsitzender ist Thomas A. Bauer.

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STANDARD: Sie vermissen Whistleblower und "Augenauskratzen", sagen Sie. Ist die PR-Branche zu brav?

Langenbucher: Der PR-Ethikrat hat sich in den letzten sechs Jahren zum überwiegenden Teil mit der Trennung von Journalismus und Werbung beschäftigt. Innerhalb der Branche gibt es nicht genug moralische Sensibilität, um andere Phänomene an uns weiterzuleiten, obwohl wir solche Beschwerden anonym verarbeiten.

STANDARD: Fehlt das Korrektiv?

Langenbucher: Ja, oder man könnte natürlich naiv sagen, dass es keine Schweinereien gibt. Dagegen spricht, was Journalisten aufdecken und jetzt die Staatsanwälte beschäftigt und was hinter vorgehaltener Hand gesagt wird.

STANDARD: Welche Schweinereien vermuten Sie?

Langenbucher: Genannt wird alles Mögliche wie beispielsweise Probleme mit der Honorierung, dass nämlich Erfolgshonorare versprochen werden. Das widerspricht eigentlich dem Kodex. Da geht es darum, ob man nach bestimmten Tarifsätzen, die auch vom Verband vorgeschlagen werden, Honorare abrechnet, oder ob man eine Klausel im Vertrag hat, aufgrund der das Honorar anwächst, sobald Zeitungen mehr abdrucken. Das lädt zu Missbrauch ein.

STANDARD: Widersprechen solche Honorare dem Ehrenkodex?

Langenbucher: Sie widersprechen der Ethik. Man kann ja vieles machen, ohne vor Gericht zu kommen und ohne dass die Polizei kommt. Das ist aber eine Frage des beruflichen Anstandes. Der ist diffiziler und subtiler als die Rechtsprechung. Und um den geht es beim Ethikrat. Oder die bezahlten und gefälschten Postings durch eine PR-Agentur, die "Datum" aufgedeckt hat, da wurde uns gesagt: "Das machen doch alle." Das glaube ich übrigens nicht. Es haben vielleicht alle gemacht, jetzt hat sich in der Branche aber ein kritisches Bewusstsein eingestellt, und die Empörung über Mhoch3 war allgemein spürbar.

STANDARD: War das vor ein paar Jahren noch Usus?

Langenbucher: Vielleicht ist es ein Lernprozess. Sie kennen ja den Spruch, den man früher häufig von Ärzten gehört hat: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Ärzte haben gelernt, dass das weder ihrem Ansehen noch den Patienten nutzt, und heute ist das sicher anders als vor 20 Jahren. So ähnlich dürfte es in der PR-Branche sein. Der Ethikrat ist eine junge Institution und muss erst das kritische Bewusstsein in der Branche steigern. Mich hat es deswegen enttäuscht, weil damals, als ich den Vorsitz übernommen hatte, man immer diese Metapher von den schwarzen Schafen gehört hatte. Und dann vergehen sechs Jahre, und uns wird nicht ein einziges schwarzes Schaf identifiziert. Die Skandale wurden dann zum Beispiel von "News" und "Profil" aufgedeckt.

STANDARD: Die meisten Fälle, mit denen sich der PR-Ethikrat beschäftigen musste, betrafen den Trennungsgrundsatz zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten. Der ist in Paragraf 26 des Mediengesetzes verankert. Sie haben ihn als "totes Recht" bezeichnet. Warum?

Langenbucher: Das hat uns ein Presserechtsanwalt gesagt. Früher haben die Medien untereinander bei Verletzung des Paragrafen auf unlauteren Wettbewerb geklagt. Es gab eine ganze Reihe von Urteilen. Nur sind diese Art von Klagen praktisch versiegt, weil alle das Gleiche machen und sich nicht gegenseitig verklagen. Und die Behörden wie Bezirkshauptmannschaften, die bei Verstößen zuständig wären, sind untätig.

Zweitens hat sich der Presserat nicht um das Thema gekümmert. Das hat sich letzte Woche geändert, als der Presserat eine sehr gut begründete Beschwerde zu einer Rüge verarbeitet hat, allerdings bezogen auf ein Blatt, bei dem man nur lachen kann: das "Journal Graz". Nur gäbe es hier ganz andere Kaliber. Wir hatten ja "Heute", "Österreich", die "Krone" und den "Kurier".

STANDARD: Es gibt dann halt Rügen, die ausgesprochen werden. Weitere Konsequenzen aber nicht.

Langenbucher: Die Eigenart von Selbstkontrollräten ist, dass sie keine Sanktionsgewalt haben, außer dass sie durch ihre Urteile jemanden öffentlich an den Pranger stellen. Diese Prangerwirkung findet statt. Selbst die "Kronen Zeitung", die nie unsere Fragen beantwortet hat, hat eine Rüge nicht gerade freudig begrüßt. Man sollte das nicht unterschätzen.

STANDARD: Bei Verletzung des Paragrafen 26 drohen Strafen von bis zu 20.000 Euro. Schläft die Justiz?

Langenbucher: Jahrelang war die Strafe lächerlich, sie wurde kürzlich im Zuge einer Novellierung kräftig erhöht. So gesehen würde es sich lohnen, es ernster zu nehmen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Warum die Behörden nicht tätig werden, weiß ich nicht. Ich nehme an, dass in den Bezirkshauptmannschaften niemand sitzt, der dafür überhaupt eine Sensibilität besitzt.

STANDARD: Ganz generell: Vermissen Sie Transparenz?

Langenbucher: Was sich positiv entwickelt hat und zum Beispiel im STANDARD und der "Presse" zu lesen ist, sind Hinweise am Ende des Artikels, dass etwa "diese Reise auf Einladung des Ministeriums" erfolgt ist. Entscheidend ist die Transparenz für den Nutzer, der wissen soll, was hinter einem Artikel oder einer Sendung steckt. Ein Problem ist das Fernsehen. Eine Studie der Regulierungsbehörde RTR zeigt, dass bei privaten TV-Anbietern sehr oft gegen diese Prinzipien verstoßen wird, obwohl das laut Gesetz untersagt ist. Das ist auch auf ungeschultes Personal und oft auf wenig Geld zurückzuführen. Aber es kümmert niemanden. Wenn es so viele machen, wird es zum Normalfall.

STANDARD: Zuletzt war auch der ORF Adressat Ihrer Kritik.

Langenbucher: Der ORF hat ja dauernd solche Klagen am Hals. Es ist zwar genau geregelt, trotzdem dürfte die Masse des Programms nicht genau kontrollierbar sein. So muss man sich auf die Professionsethik im Haus verlassen.

STANDARD: Wenn Sie bilanzieren: Welche Mediengattungen sind am ärgsten?

Langenbucher: In der Tages- und Wochenpresse ist am meisten Ehrlichkeit und Sensibilität im Spiel. Dann gibt es einen großen Magazinbereich mit Abgründen, die dort stattfinden. Nehmen Sie Gourmetzeitschriften. Sind da überhaupt unbezahlte Teile enthalten? Das gilt auch für den Beauty- und Wellness-Bereich. Das Segment der Hochglanzmagazine ist in den letzten Jahren ja explodiert. Dort herrscht, glaube ich, totale Anarchie. Dann gibt es noch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der vielfältig kontrolliert wird und über einen internen Journalistenkodex verfügt, der recht streng ist. Wüst sieht es bei privaten Radio- und TV-Stationen aus.

STANDARD: Ihr Befund klingt verheerend.

Langenbucher: Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren sicher aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen verstärkt. Medien suchen neue Wege, um Geld zu akquirieren, die nicht koscher sind. Denken Sie an die Gratisblätter. Es steigert sicherlich nicht die Moral, wenn man ausschließlich durch Anzeigen finanziert wird.

STANDARD: In den USA kommen auf einen Journalisten bereits 4,6 PR-Mitarbeiter. Welche Implikationen hat das für den Journalismus?

Langenbucher: Über die Journalistenbranche liest man überwiegend Kritisches, also pessimistische Äußerungen. Über die PR-Branche liest man nichts, in Wahrheit ist sie aber eine blühende. Die Zahl der Stellen und der Agenturen nimmt zu, Leute verdienen gut, und viele Journalisten wechseln die Seiten. Daraus schließen wir, dass die PR Verantwortung für die Qualität öffentlicher Kommunikation hat, weil sie häufig an die Stelle von Journalismus tritt beziehungsweise weil der Journalismus auf PR als Quelle angewiesen ist. Journalismus und PR sind kommunizierende Röhren, und PR muss in ihrem Handeln eine journalistische Verantwortung mitdenken.

STANDARD: Eine Gefahr für unabhängigen Journalismus?

Langenbucher: Das ist nicht neu, und ich glaube auch nicht, dass es in der Entwicklung große Sprünge gibt. Aber dass die Bedeutung der Zulieferung von Stoff an die Medien eher zu- als abnimmt, das glaube ich schon.

STANDARD: In Österreich ist das Verhältnis zwischen Journalisten und PR-Beratern annähernd ausgeglichen. In den USA kann man nicht mehr davon sprechen.

Langenbucher: Der Grund ist die Ausdünnung von journalistischen Redaktionen. Geht es in der Tonart weiter, muss kommunikationspolitisch reagiert werden. Ein Beispiel ist die Auslandsberichterstattung. Da gab es in den letzten Jahren eine Reduktion. Die Qualität ist direkt von der Zahl der Korrespondenten abhängig. Überschreitet das einen kritischen Punkt, so finde ich, dass der Staat eingreifen muss. Etwa über die Presseförderung mit einem Fonds zur Finanzierung von Auslandsbüros. Die Sensibilität zu haben, dass guter Journalismus nur mit ausreichend Personal machbar ist, das wäre schon sehr wichtig, und nicht das Tolerieren dessen, dass die PR immer wichtiger wird. (Oliver Mark, DER STANDARD, Langfassung, 5.2.2015)