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Vorsitzender Richter Peter Tomka in der Mitte.

Foto: EPA/ROBIN VAN LONKHUIJSEN

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Massenhafte Verbrechen gegen Nicht-Serben, ethnische Säuberungen: der Gedenkfriedhof im kroatischen Vukovar.

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Den Haag / Zagreb / Belgrad - Es kam, wie alle es erwartet hatten. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag wies am Dienstag die wechselseitigen Genozid-Anklagen von Serbien und Kroatien zurück. Die Klagen galten von Beginn an als aussichtslos und wurden eher als politisch-taktische Manöver erachtet. Immer wieder gab es politische Versuche, die Klagen zurückzuziehen. Dies scheiterte aber letztlich an mangelndem politischem Willen.

Richter Peter Tomka argumentierte nun am Dienstag, dass Serbien nicht für die Ereignisse, die vor dem April 1992 stattgefunden haben, verantwortlich gemacht werden kann, weil es damals noch nicht die UN-Völkermordkonvention unterschrieben hatte. Die schwerwiegendsten Verbrechen gegen die kroatische Zivilbevölkerung seitens der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) und serbischer Einheiten fanden vor diesem April 1992, nämlich im Jahr 1991 statt. Die kroatische Klage bezog sich zum größten Teil auf die Verbrechen in und rund um Vukovar im Jahr 1991.

"Ziel nicht Vernichtung"

Der Richter urteilte, dass die Gewalt zwar Teil des politischen Ziels gewesen sei, "einen ethnisch homogenen serbischen Staat zu errichten", trotzdem sei es nicht darum gegangen, die Kroaten zu vernichten, sondern sie zu vertreiben. Dies ist etwa der Unterschied zum Völkermord in Srebrenica. In Bosnien-Herzegowina strebten bosnisch-serbische Einheiten die Vernichtung der Muslime an.

Auch die serbische Klage gegen Kroatien, die sich vor allem auf die Operation Sturm im August 1995 bezog, wurde zurückgewiesen. Damals eroberte die kroatische Armee die Krajina, die 1991 von serbischen Einheiten eingenommen worden war, zurück. Während der Operation Sturm flohen etwa 200.000 Serben, Hunderte wurden getötet. Das Gericht kam zum Schluss, dass es aber nicht Ziel der kroatischen Armee gewesen sei, die Serben zu "vernichten".

Der serbische Justizminister Nikola Selakovic zeigte sich mit dem Urteil in Den Haag zufrieden, weil damit klar sei, dass Serbien keinen Genozid verübt habe. In Kroatien wurde das Urteil eher als Niederlage aufgenommen. Premier Zoran Milanovic sagte, er sei zwar nicht mit dem Ergebnis zufrieden, man werde es aber akzeptieren. Kroatien werde aber nicht von den Forderungen gegenüber Serbien abgehen, das Schicksal der Vermissten zu klären und Kulturgüter zu retournieren. Zagreb hatte in der Vergangenheit auch verlangt, dass Serbien den Angriff gegen Kroatien 1991 zugebe, damit die Klage zurückgenommen werden könne. Während der Präsidentschaft von Boris Tadic in Serbien und Ivo Josipovic in Kroatien kam es zu einer Annäherung der beiden Staaten, diese verlief aber vor zwei Jahren im Sand.

Gegen die Urteile kann kein Einspruch erhoben werden. Das Gericht bezog sich auch auf frühere Sprüche des UN-Jugoslawientribunals. Kroatien hat 3,7 Millionen Euro für die Klage ausgegeben, Serbien 800.000 Euro. Die erste Klage Zagrebs war 1999 erhoben worden, Belgrad folgte zehn Jahre später. (awö, DER STANDARD, 4.2.2015)