Ein Virus bricht aus, Zombies bevölkern die Straßen, die Menschheit steht vor der Ausrottung. Videospielhersteller haben diesen Ausgangspunkt in den vergangenen Jahren für unterschiedlichste Fantasien genutzt. Nicht alle waren so tiefgründig und rührend wie "The Last of Us", und nicht alle waren so erbarmungslos und unfertig wie "DayZ". Das polnische Studio Techland bevorzugte unterdessen wiederum brachialere Töne. Mit der "Dead Island"-Serie hat es bewiesen, dass man mit plumpen Metzeleien und kreativer Zombiebeseitigung trotz eher zweitklassiger Umsetzungen viele Fans für sich gewinnen kann.

Bei "Dying Light" verpasst das Studio seinem neuen Helden Kyle Crane ein nicht ganz so hohes Maß an Schlagfertigkeit. Im Gegensatz zu dessen Vorgängern ist er allerdings dafür so flink und sprungfreudig wie ein Parkour-Läufer und findet so in der virtuellen Stadt Harram einen idealen apokalyptischen Spielplatz für waghalsige Adrenalinjunkies.

Dying Light
Screenshot: Dying Light

Über Kräne und brennende Autos

Mit dem Ziel, einen abtrünnigen Agenten ausfindig zu machen, wird man in die Quarantänezone eingeschleust und müht sich fortan dafür ab, den großen Helfer zu mimen. Es gilt, in der offen erkundbaren Stadt Kameraden vor Untoten zu retten, abgeworfene Hilfsgüter einzusammeln und immer einen Schritt schneller, als der lechzende Mob zu sein.

Aus der Ich-Perspektive gesteuert, mögen die Hürdenläufe über Ruinen, Kräne, Wellblechdächer oder brennende Autos zunächst schwindelerregend sein, doch die eingängige Navigation erlaubt schon bald riskante Manöver ohne Übelkeitsgefühl. Autos sind leider alle außer Betrieb, dafür sorgt ein Enterhaken für Geschwindigkeitsräusche.

Screenshot: Dying Light
Screenshot: Dying Light

Für Verschwörer

Mehr schlecht als recht zusammengehalten von einer Verschwörungsstory, folgt die zweigleisige Mission durchschaubaren Spielregeln: weglaufen, die nachts aggressiver agierenden Monster meiden und, wenn es zur Konfrontation kommt, kräftig zuschlagen - mit allem, was einem in die Hände kommt. Dank einer Fülle an findbaren und ausbaubaren Tötungswerkzeugen kann man Angriffe meist gut abwehren, doch im Vergleich zu "Dead Island" wurde der Fokus mehr auf Rückzugsstrategien gelegt.

Der Spielaufbau bemüht etablierte Open-World-Mechaniken und ersetzt von der "Far Cry"-Reihe bekannte Außenposten mit Safe-Zones, die eingenommen werden können und Unterschlupf bieten und motiviert mit erweiterbaren Fertigkeiten für Ausdauer, Angriff, Waffenbau und Co. zum Spielmarathon.

Screenshot: Dying Light
Screenshot: Dying Light

Gemeinsam aufregender

Allein wird die Flucht vor Bestien auf Dauer dennoch sehr eintönig, weil sowohl die vorwiegend in Grau-Braun gehaltenen und wenig abwechlungsreichen Kulissen (trotz Schauplatzwechsel gegen Ende hin) als auch die austauschbaren Mitstreiter und geklonten Zombies nicht über die repetitiven Einsätze hinwegtrösten können.

Zum spannenderen Erlebnispark wird die Apokalypse hingegen mit Freunden. Um die Wette laufen, gemeinsam Zombies Fallen stellen oder selbst als Untoter menschlichen Spielern auflauern, kann viele Abende mit dämlichem Gekichere und Schadenfreude füllen. Humor beweisen die Entwickler auch mit Anspielungen an populäre Blockbuster wie "Destiny".

Dying Light
Screenshot: Dying Light

Fazit

Am Ende des Tages funkelt am Horizont Harrams die Sonne nicht so verlockend, dass es lebensmüde Hürdenläufer unerträglich in den Zehen juckt. Splatterfreunde werden ihren Blutdurst mit den brachialen Nahkämpfen schon stillen können und die Parkoursmechanik funktioniert gut genug, um "Mirror's Edge"-Nostalgiker bis zur Fortsetzung DICEs Utopie ein wenig zu vertrösten. Doch für einen AAA-Vollpreistitel von einem Major-Publisher wie Warner Bros. fehlt es "Dying Light" doch recht viel zur Open-World-Games-Spitze und den besseren Zombiewerken unserer Zeit und würde realistischer bepreist besser in die Nische zwischen Indie- und Blockbuster-Game passen. Eine Proberunde sollten sich Genrefans deshalb aber nicht entgehen lassen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 2.2.2015)

"Dying Light" ist für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen. Altereinstufung: Ab 18 Jahren. UVP: Ab 59 Euro