"Folgen Sie denen nicht!", lautete die Aufforderung der deutschen Bundeskanzlerin im Bezug der Pegida-Bewegung bei der letzten Neujahrsansprache. Mit dieser Aussage am Silvesterabend hat Angela Merkel unmissverständlich den antieuropäischen Ideen eine Absage erteilt. Als führendes Mitglied der Europäischen Union hat Deutschland die Verpflichtung, darauf zu achten, dass ähnliche Tendenzen auch nicht anderswo in Europa Boden gewinnen können.

Eine passende Gelegenheit dafür bietet der deutschen Regierungschefin die Visite am 2. Februar bei ihrem ungarischen Counterpart Viktor Orbán in Budapest, wo sich das antieuropäische Ideal unter dem Namen "Illiberalismus" bereits einen Namen gemacht hat.

"Ungarn soll Ungarn bleiben"

"Die Migration sollte gestoppt werden. Wir wollen keine bedeutende Minderheit mit einer anderen kulturellen Natur und einem anderen Hintergrund. Wir wollen, dass Ungarn Ungarn bleibt", zeichnete der rechtskonservative Orbán unmittelbar nach dem "Charlie Hebdo"-Trauermarsch in Paris einen der Eckpunkte seines selbsternannten "illiberalen Staates" auf. Ein Satz, der auch bei einer Pegida-Demonstration hätte ertönen können. Darauf erfolgte auch eine Botschaft an die europäischen Staaten: "Wirtschaftsmigration ist schlecht für Europa. Wir sollten sie nicht als etwas Nützliches betrachten, denn sie bedeutet nur Ärger und Gefahr für die Europäer". Die Slogans der Pegida erklingen im illiberalen System des Viktor Orbán nicht nur montags: Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile sind Teil des ungarischen Alltages geworden.

Kein Wunder, dass sich führenden Politikern der westlichen Welt kaum mehr in Ungarn fotografieren lassen. Die hochrangigen Besucher stammen zusehends aus dem Osten; auf den Gästelisten sind hauptsächlich Politiker aus Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan, und Russland.

Hohe Erwartungen an Merkel

Merkels Besuch fällt in die Zeit großer gesellschaftlicher Turbulenzen in Ungarn, die von starkem Popularitätsverlust und dem immer schlechter werdenden Image der Regierung begleitet sind. Seit Monaten gehen Bürger gegen die Regierungspartei Fidesz auf die Straße. Es werden bereits landesweit breite Massen für den Tag der Merkel-Visite mobilisiert, um ihre Ablehnung zur antieuropäischen Regierungspolitik zu verdeutlichen. Die Erwartungen der Regierungsgegner sind groß: Sie rechnen mit einer unterstützenden Geste der Bundeskanzlerin.

Ob letztlich die hoch angesetzten Erwartungen, der für westlichen Werte demonstrierenden Regierungskritiker in Ungarn erfüllt werden, hängt davon ab, wie weit die deutsche Regierungschefin mit ihrem Kampf gegen illiberale und antieuropäische Strömungen gehen möchte. Will sie diesen Kurs auch außerhalb der Grenzen Deutschlands weiterführen, darf die Kanzlerin auf die Kritik in Ungarn nicht verzichten. (Balázs Csekö, 1.2.2015, daStandard.at)