Rob Gronkowski kennt die Sonne.

Foto: USA Today Sports/Matthew Emmons

Bild nicht mehr verfügbar.

Cornerback Richard Sherman.

Foto: APA/EPA/Brashear

Bild nicht mehr verfügbar.

Vielleicht.

Foto: APA/EPA/Maury

Bild nicht mehr verfügbar.

Wide Awake: Katy Perry.

Foto: APA/EPA/Smith

Marshawn Lynch: "I'm just here, so I won't get fined"

SPORTSTALK WITHKASUWELL

Das Image der Quarterbacks glänzt wie die frisch polierte Lombardi Trophy: Tom Brady gilt als der perfekte Schwiegersohn, um Russell Wilsons Kopf lässt sich mit zusammengekniffenen Augen ein sanfter Heiligenschein erkennen. So sauber die Flaggschiffe der New England Patriots und Seattle Seahawks sind, so kontrovers sind die Teams aber in ihrer Gesamtheit.

Erst 2007 "Spygate", als die Signale gegnerischer Coaches gefilmt wurden, dann vor zwei Wochen "Deflategate", als der Luftdruck der Bälle im Conference Final unter der erlaubten Grenze war: Zwei der größten NFL-Skandale dieses Jahrtausends gehen auf die Kappe der Patriots. In Umfragen gehören sie stets zu den Top drei der meistgehassten Teams – in erster Linie wegen der beständigen Erfolge der Ära von Brady und Head Coach Bill Belichick. Das sind konkret Super-Bowl-Siege 2001, 2003 und 2004 und nur ein verpasstes Playoff in den letzten zwölf Jahren. Solche Leistungen bringen natürlich auch Fans: Kaum ein Teamwappen ist von Washington bis Florida so zuverlässig zu sehen wie der Patriot aus Boston, auch in Österreich ist die Fanbase eine der größten. Der "Boston Globe" bezeichnet die Patriots also nicht zu Unrecht als das "am meisten polarisierende Team der Sportgeschichte".

Riesenbaby und Coaching-Genie

Die zwei wichtigsten Figuren neben Spielmacher Brady könnten unterschiedlicher nicht sein. Tight End Rob Gronkowski ist ein Sunnyboy, wie er im Buche steht. Die athletische Ausnahmeerscheinung macht kein Geheimnis aus seiner Liebe zu Partys, für einen ESPN-Fotoshoot knuddelte er jüngst mit einem Kätzchen. "Rob ist ein Riesenbaby. Er sorgt in der Umkleide für Spaß", beschreibt ihn Teamkollege Julian Edelman.

An der Seitenlinie steht sein Chef. Belichick gilt als Coaching-Genie, seine Taktik-Tricks am Rande des Erlaubten bringen ihm gekoppelt mit zuvor erwähnten Skandalen aber auch Missgünstler ein. So sehr der 62-Jährige im Team eisern sein System durchzieht, so sehr ist er mit dem System NFL im Clinch. Pressekonferenzen absolviert er mit betonter Gleichgültigkeit, als ihn die Liga zum Tragen von Kleidung des Ausrüsters Reebok verpflichtete, erkor er aus Protest das unspektakulärste Kleidungsstück als seinen neuen Liebling aus – einen zu großen Hoodie mit abgeschnittenen Ärmeln. Ein Vergleich, den sogar die offizielle NFL-Website schon zog, fasst Belichicks Auftreten treffend zusammen: Der mit Imperator Palpatine aus "Star Wars".

Gegen alle

Dem gegenüber stehen die Seahawks mit einer explosiven Mischung aus Kommunikationsfreude und Selbstbewusstsein. Nirgends wird diese deutlicher als bei Star-Cornerback Richard Sherman. Der 26-Jährige legt sich routinemäßig mit Medien, Gegenspielern und dem Rest der Welt an – zählt auf seiner Position aber auch zu den Besten im Geschäft. "Die Leute hassen uns, weil sie das immer tun, wenn man groß redet. Wenn man aber dazu noch die Leistung am Feld bringt, hassen sie einen noch mehr", erklärt Defensive End Michael Bennett. Und legt nach: "Wir begrüßen das! Ich mag es, wenn uns die Leute hassen."

Am anderen Ende des Kommunikations-Spektrums liegt Running Back Marshawn Lynch. Im November brummte die NFL "Beast Mode" für das Verpassen eines Medientermins eine 100.000-Dollar-Strafe auf, dank einer Androhung von 500.000 Dollar für weitere Vergehen kam er im Vorfeld der Super Bowl zu allen Terminen. Antworten gab es dort aber keine – beziehungsweise nur jeweils eine: Am Dienstag 29 Mal "Ich bin nur hier, um nicht bestraft zu werden", am Mittwoch "Ihr wisst, warum ich hier bin". Donnerstags ließ sich sein etwas gesprächigerer Auftritt mit einigen Shoutouts und seinem Kernstatement "Ich werde nichts sagen" zusammenfassen. Nach Ablauf der Mindestzeit von fünf Minuten stand Lynch wie ein Schweizer Uhrwerk auf und machte sich schnurstracks auf den Weg zum Ausgang, wobei er mittwochs beinahe die dreiköpfige Austro-Delegation (bestehend aus DER STANDARD, laola1.at und "Oberösterreichischen Nachrichten") über den Haufen lief.

Vollgas

So unbeliebt Lynch sein Verhalten bei einigen Medienvertretern macht, so sehr lieben es die Fans, die ihn als Antithese zu Floskeldreschern feiern. Hinter den Kulissen ist Lynch laut Teamkollege Kam Chancellor völlig anders: "Marshawn hat Humor, ist aktiv und hat immer gute Ratschläge." Auch wenn der 28-Jährige möglicherweise schlicht ein Problem mit Menschenmassen und Kameras hat – er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nur sein einzigartiges Werbeprofil schärfen zu wollen.

Schlechte Presse handelte sich das Team von Pete Carroll seit dessen Einstellung 2010 auch mit fünf Suspendierungen für verbotene Substanzen ein. Seit Dezember 2013 kam zwar keine mehr hinzu, der permanente Vollgas-Spielstil der Seahawks lässt böse Zungen dennoch nicht verstummen. Eben dieser Spielstil gereicht ihnen aber zum Vorteil, wie die Receiver-Legende und nunmehriger TV-Experte Hines Ward auf STANDARD-Nachfrage erklärt: "Bei den Seahawks weißt du, dass sie dich 60 Minuten ohne Unterlass jagen werden."

Crazy

Bei derart umstrittenen Protagonisten liegt es nahe, dass die Super Bowl auch heuer ein Spektakel ist. 30 Werbesekunden kosten über 4,5 Mio. US-Dollar, das ist ebenso ein Rekord wie 25,7 Millionen erwartete Tweets während des Spiels. Die Halftime-Show wird zum großen Auftritt von Katy Perry, die einen Löwen und Hai auf der Bühne versprach. Musical- und Filmstar Idina Menzel wird die Nationalhymne zum Besten geben, Las Vegas lässt darauf wetten, ob ihre Interpretation über oder unter 121 Sekunden dauert.

Wer das Spiel live im University of Phoenix Stadium in Glendale (Arizona) sehen will, muss die Zähne kräftig zusammenbeißen – oder gutes Timing beweisen. Die Karten sind teuer wie nie, am Sekundärmarkt überschritt der Preis für das billigste Ticket phasenweise 8.000 Dollar. Ein großer Ticket-Händler hatte schon am Mittwoch angekündigt: "Der Markt wird völlig verrückt spielen – wie wir es noch nie gesehen haben." Für Sonntag prognostizierten Experten einen Preisverfall, allerdings mit einiger Unsicherheit.

Mehr als 170 Millionen TV-Zuseher in 180 Ländern werden erwartet. Auf ein Festmahl freut sich die US-Lebensmittelindustrie. Das National Chicken Council rechnet damit, dass rund 1,23 Milliarden Chicken-Wings gegessen werden, Diätexperten gehen für den Durchschnittsbürger von 2400 während des Spiels konsumierten Kalorien aus.

Auch für die Stadt Phoenix ist das Spiel ein Riesen-Ereignis, schon seit Mittwoch wuseln in der Wüstenstadt unzählige Fans durch die Innenstadt. Ein ordentlicher Umsatz ist auch nötig, wurde das 2006 eröffnete Stadion doch mit 300 Millionen Dollar an öffentlichen Geldern mitfinanziert. Nach 2007 ist es bereits die zweite Superbowl in der Vorstadt Glendale.

Für 106 Spieler wird all das am Sonntag Schlag 16:30 Uhr Ortszeit (0:30 MEZ) zur Nebensache. Sie wollen sich auf der größten Sport-Bühne der Welt ihren Traum erfüllen. Egal, ob sie nun gehasst oder geliebt werden. (Martin Schauhuber aus Glendale, DER STANDARD, 31.1.2015)