Die zwei Gesichter des Mars: Während der Norden von ausgedehnten Tiefländern beherrscht wird, dominieren im Süden von Vulkanen durchsetzte Hochländer. Schweizer Forscher nehmen an, dass der Einschlag eines großen Objekts für die Unterschiede verantwortlich ist.

Illu.: NASA/MOLA

Zürich - Auf den ersten, ungeschulten Blick mag der Mars als einheitliche rote Kugel wirken. Tatsächlich aber scheint es, als wäre er aus zwei völlig unterschiedlichen Hemisphären zusammengesetzt: Die Nordhalbkugel wird von flache Tiefländern mit nur wenigen Hinweisen auf vulkanische Aktivität dominiert, die Südhälfte des Mars prägen dagegen ausgedehnte, von unzähligen Vulkanen durchsetzte Hochländer. Über die Ursachen für die zwei Gesichter des Roten Planeten werden zwar einige Theorien und Vermutungen diskutiert, verlässliche Antworten gibt es aber nicht. Nun liefern Geophysiker der ETH Zürich einen neuen Erklärungsansatz: Die Forscher nehmen an, dass ein etwa mondgroßer Himmelskörper einst in den Südpol des Planeten einschlug.

Ihre Schlüsse zogen die Wissenschafter rund um Giovanni Leone aus einem detaillierten Computermodell. Ihre Simulation zeigt, dass der angenommene Einschlag dermaßen viel Energie erzeugte, dass ein Magma-Ozean entstand, der die Ausdehnung der heutigen Südhemisphäre hatte. Der Einschlagkörper musste mindestens ein Zehntel der Marsmasse betragen haben. Das flüssige Gestein erstarrte schließlich zum bergigen Hochland, aus dem die heutige Südhalbkugel des Mars besteht.

In ihrer Simulation gingen die Wissenschafter davon aus, dass der Himmelskörper mehrheitlich aus Eisen bestand, einen Radius von mindestens 1.600 Kilometern hatte und mit fünf Kilometern pro Sekunde auf den Mars prallte. Zeitpunkt des Geschehens: Rund 4 bis 15 Millionen Jahre nach Entstehung des Roten Planeten. Die Marskruste muss damals nur sehr dünn gewesen sein.

Einschlag führte zu vulkanischer Aktivität

Der Einschlagkörper fügte dem Mars nicht nur mehr Masse, vor allem Eisen, hinzu. Er setzte auch starke vulkanische Aktivitäten in Gang, die gemäß der Simulation bis vor rund 3,5 Milliarden Jahren anhielten. Vor allem rund um den Äquator entstanden als Folge des Einschlags zahlreiche sogenannte Mantel-Plumes, die zum Südpol hin wanderten und sich dort vereinigten. Mantel-Plumes sind Magmasäulen, die flüssiges Material vom Mantel zur Oberfläche transportieren. Im Modell der Forscher kommt der Mars vor 3,5 Milliarden Jahren zur Ruhe. Danach gab es auf dem roten Planeten weder Vulkanismus noch ein Magnetfeld – was mit Beobachtungen und Messungen übereinstimmt.

Die im Fachblatt "Geophysical Research Letters" vorgestellte Simulation sei auch in der Lage, die unterschiedliche Topografie der beiden Hemisphären realitätsnah wiederzugeben, erklärt Leone. So bilde das Modell – je nach gewählter Zusammensetzung des Einschlagkörpers – Ausdehnung und Form der Hemisphären nahezu perfekt ab. Voraussetzung dafür ist, dass der aufprallende Körper 80 Prozent Eisen enthält. Simulieren die Forscher den Aufprall mit einem Körper aus purem Silikatgestein, so entspricht das Bild der Dichotomie nicht den Gegebenheitent.

Und schließlich bestätigt das Modell der ETH-Forscher den Zeitpunkt, an dem das Magnetfeld des Mars ausgelöscht wurde. Der vom Modell berechnete Zeitpunkt entspricht den rund 4,1 Milliarden Jahren vor unserer Zeit, was andere Wissenschafter bereits zuvor nachgewiesen hatten. Das Modell zeigt überdies auch den Grund für das Abschalten auf: der steile Abfall des Wärmeflusses aus dem Kern in den Mantel und die Kruste in den ersten 400 Millionen Jahren nach dem Einschlag. Nach einer Milliarde Jahren betrug der Wärmefluss noch ein Zehntel des Anfangswertes – zu wenig, um selbst den Vulkanismus aufrechtzuerhalten.

Niemals lebensfreundlich?

Das von den Forschern entwickelte Modell birgt allerdings wenig Hoffnung auf eine lebensfreundliche Umgebung in der Frühzeit des Mars. Für Leone wird immer klarer, dass der Mars demnach schon immer ein extrem lebensfeindlicher Planet gewesen sein muss. Dass auf ihm jemals Ozeane oder Wasserläufe vorkamen, hält er für fast unmöglich. "Bevor dieser Planet zum heutigen kalten und trockenen Ort wurde, war er von großer Hitze und von Vulkanismus geprägt, was allfälliges Wasser hätte verdunsten lassen und die Entstehung von Leben sehr unwahrscheinlich macht", ist der Planetenforscher überzeugt. (red, derStandard.at, 29.01.2015)