Wien - Yiannis Varoufakis ist keiner, der lange fackelt. Der in Athen geborene Ökonom hat in den vergangenen Jahren unablässig versucht, auf die soziale Misere in Griechenland aufmerksam zu machen. Erst die Sparpolitik der Troika habe zu dem Desaster in Hellas geführt, betonte Varoufakis gern, und legte vor kurzem noch nach: Mit seiner Heimat werde "fiskalisches Waterboarding" betrieben.
Bleibt zu hoffen, dass der Ausfall (Waterboarding ist eine Foltermethode) dem griechischen Wahlkampf geschuldet war. Varoufakis wird in den kommenden Monaten jedenfalls alles diplomatische Gespür der Welt brauchen. Der 53-Jährige ist am Dienstag zum neuen griechischen Finanzminister der von Syriza geführten Regierung ernannt worden. Er wird federführend dafür verantwortlich sein, das wichtigste Wahlkampfversprechen der Linkspartei einzulösen. Varoufakis soll die Kreditabkommen Griechenlands mit den übrigen Euroländern neu aushandeln.
Charme hat er: Im persönlichen Gespräch ist er witzig, schlagfertig und unterhaltsam. Der stämmige Grieche ist ein angenehmer und unkapriziöser Interviewpartner.
Nach dem Schulbesuch in Athen studierte Varoufakis in Birmingham und Essex Mathematik sowie Statistik, erst seine Doktorarbeit schrieb er in Ökonomie. Es folgten Lehraufträge an Universitäten in Großbritannien und Australien. Bei Krisenausbruch in der Eurozone unterrichtete er in Athen. Nicht zuletzt wegen der angespannten Lage und nach einer Reihe von Budgetkürzungen an der Uni entschloss er sich Anfang 2013, eine Gastprofessur in Austin, Texas, anzunehmen. In den USA fungierte er auch als ökonomischer Berater des Computerspielherstellers Velve.
Varoufakis, der auch die australische Staatsbürgerschaft besitzt, verfolgt eine geradlinige Haltung: Griechenland müsse im Euroraum bleiben, argumentiert der Ökonom, alles andere wäre für Hellas und für die Eurozone eine wirtschaftliche Katastrophe. Die Sparpolitik in der Heimat sei aber ein Fehler. Die jüngsten Meldungen, wonach die griechische Wirtschaft nach sechs Jahren Rezession wieder minimal wächst, tat er ab: Jeder, der von der Erholung der griechischen Wirtschaft hört, habe die moralische Pflicht, ironisch zu lachen, sagte er einmal.
Keinen Zweifel lässt der Ökonom daran, dass Athen einen Schuldenschnitt braucht. "Die Entschuldung wird kommen, das ist so sicher wie die Gesetze der Schwerkraft", sagte Varoufakis in einem Standard-Interview 2012. "Ein großer Teil der Steuergelder aus Österreich und Deutschland sind sicherlich verloren."
Der Grieche hat auch eigene Vorschläge, wie Europa vorankommen soll: Anstatt wie geplant Staatsanleihen zu kaufen, soll die Europäische Zentralbank Anleihen der Europäischen Investitionsbank (EIB) erwerben. Mit dem Geld könnte die EIB ein gewaltiges paneuropäisches Investmentprojekt starten.
Politisch gilt Varoufakis abseits eines Beraterengagements für den griechischen Expremier Giorgos Papandreou (2009-2011) als unerfahren. Der Ökonom ist verheiratet und betreibt einen Blog. Dort kündigte er am 9. Jänner seine Kandidatur für Syriza an. "Manchmal ist es Zeit, kritisches Denken in direkte politische Aktion zu verwandeln", schrieb er damals. (András Szigetvari, DER STANDARD, 28.1.2015)