Der Designer John Vogel und seine "Bloom Tables": Jeder Tisch besteht aus drei handgefertigten Blüten aus geöltem Walnussholz. Kombiniert werden sie zu einem kleinen Möbelwald.

Foto: Vogel Design

Nichts ist zu viel, alles strahlt Ruhe und Ordnung aus. Man fühlt sich gar nicht wie in einem Geschäft, sondern wie in einem privaten Loft, in dem großer Wert auf Minimalismus gelegt wird: Der graue Waschbetonboden lenkt den Blick auf das Wesentliche, die hochwertigen Stühle, Bänke und Tische aus Holz, die dezent in ihrer Form sind, aber mittels Farben Akzente setzen. Die großen Fabrikfenster machen den Raum transparent und hell. Man würde sich nicht wundern, in Stockholm oder Kopenhagen zu sein.

Der Designer John Vogel und seine "Bloom Tables": Jeder Tisch besteht aus drei handgefertigten Blüten aus geöltem Walnussholz. Kombiniert werden sie zu einem kleinen Möbelwald.
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Der Stil von John Vogel ist international und trotzdem stark von afrikanischen Traditionen beeinflusst. "Unsere Liebe zur Handarbeit und zum Detail erinnert sicherlich an skandinavisches Design", sagt Vogel, der sein Jeanshemd bis oben hin zugeknöpft trägt und dabei so funktional und aufgeräumt wie seine Möbelentwürfe wirkt. "Qualität ist uns sehr wichtig, wir versuchen weitgehend auf Maschinen zu verzichten, damit unsere Möbel organischer aussehen." So werden die Ecken der Stühle individuell abgerundet, damit jedes Stück ein Unikat ist. Dafür darf es beim Geflecht ruhig etwas bunter sein. "Wir verwenden traditionelle afrikanische Webtechniken, mischen sie mit modernen Materialien", erklärt Vogel.

Farben zelebrieren

"Afrikanisches Design hat keine Angst vor grellen Farben, im Gegenteil: Man zelebriert Farben, mischt sie auf interessante Weise." Auch beim Wandschmuck greift Vogel auf lokale Einflüsse zurück. Der ehemalige Architekt, der bereits als Student Möbel entwarf, weil er den Handwerksaspekt daran liebte, abstrahiert etwa bei seinen Kleiderständern Nguni Heads Tierköpfe mit Hörnern. "In unserer Kultur sind sie ein Symbol für Wohlstand und mittlerweile auch für Nachhaltigkeit, weil viele der einst gejagten Tiere nun geschützt werden", führt der Designer aus.

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John Vogel hat seinen Showroom in einem der angesagtesten Viertel von Kapstadt eingerichtet. Woodstock galt lange als No-go-Area, als eine Ecke, die von Armut und Kriminalität geprägt war, bis vor ein paar Jahren Kreative begannen, sich hier anzusiedeln. Mittlerweile ist Woodstock ein Vorzeigeviertel, das von Hipstern ebenso wie von Touristen gestürmt wird. Hier findet sich nicht nur die höchste Dichte an Galerien des Landes, auch das leibliche Wohl kommt nicht zu kurz. Seit 2006 wird jeden Samstag der Neighbourgoods Market abgehalten, an Ständen gibt es organische Produkte von lokalen Anbietern zu kaufen, frisches Brot, hausgemachte Torten, aber auch handgefertigte Ledertaschen oder Brillen aus Holz.

2014 durfte sich Kapstadt "Weltdesignhauptstadt" nennen, Design soll in Südafrika allerdings mehr leisten, als nur den Alltag zu behübschen, es soll Motor für sozialen und ökonomischen Wandel sein. Es soll zeigen, wie weltoffen und modern die Stadt ist. Zweifelsohne beeindruckt die kreative Dichte von Woodstock und wie liebevoll die alten Fabriken renoviert wurden. Was allerdings auch deutlich wird: Trotz erfolgreicher Gentrifizierung bleiben die sozialen Kontraste weitgehend erhalten. Die abgezirkelten Kreativinseln, in denen universaler Design-Hedonismus zelebriert wird, liegen in einem nach wie vor armen Bezirk. Verlässt man die ehemalige Keksfabrik, sieht man Drogensüchtige und stößt auf Alltagsdesign, das um einiges exotischer wirkt als die vielen längst international nivellierten Bobo-Produkte: In den Friseurläden, die vor allem von Schwarzen besucht werden, kann man sich das Nike-Label ins Haar rasieren lassen.

Naturbursche

Der Shop von John Vogel liegt gleich um die Ecke des Neighbourgoods Marktes, und zwar in der Woodstock Foundry, einer weiteren ehemaligen Fabrik, wo sich Designstudios, Goldschmiedeläden, Street-Art-Ateliers, hippe Friseure und ein nettes Frühstückscafé angesiedelt haben. Vogel glaubt an die Kraft von südafrikanischem Design, wenn es sowohl lokal agiert als auch global verantwortlich denkt. So setzt er bei seinen Möbeln auf Nachhaltigkeit, auch das kommt bei seinen Kunden im In- und Ausland gut an.

Foto: Vogel Design

Für jeden Baum, der für seine Stühle gefällt werden muss, wird mindestens ein neuer gepflanzt. "Südafrika ist voll mit schönen Pflanzen und atemberaubenden Landschaften, die meine Arbeit beeinflussen. Ich mag es, den Leuten die Natur wieder näherzubringen." So spielt einer seiner Tische raffiniert mit Blumenmotiven. Der "Love Me Love Me Not Table", in Zusammenarbeit mit Justin Plunkett entstanden, besteht aus acht Elementen, die man individuell anordnen kann. Als kleine, abstrakte Beistelltischchen oder als großen runden Tisch, der wie eine Blume aussieht. Bevor eines seiner Möbelstücke in Serie geht, wird es übrigens ausgiebig getestet, und zwar bei ihm zu Hause. "Ich verändere meine Wohnung ständig. Wahrscheinlich mag ich Stühle deshalb so gern: weil sie dauernd in Bewegung sind." Zumindest das haben sie mit der südafrikanischen Gesellschaft gemeinsam: Stillstand gibt es keinen. Alles ist in Aufbruch und Veränderung. (Karin Cerny, Rondo, DER STANDARD, 30.1.2015)