Jeffrey Sachs schlägt den großen Bogen, wenn er einen Kompromiss mit Athen anmahnt. Der New Yorker Ökonom erinnert Berlin daran, in welcher Lage es sich selbst einst befand. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die USA Deutschland mit Hilfsprogrammen entlastet, "nicht dass sie es verdient hatten, aber sie brauchten es, sie brauchten einen neuen Anfang". Schon deshalb sei es Zeit, dass Berlin zu Athen sage: "Okay, ob ihr es nun verdient habt oder nicht: Ihr braucht es."

Auf der Skala der Reaktionen ist Sachs eher dem linken Spektrum zuzuordnen. Aber auch das konservative Wall Street Journal übt Kritik an den Eurokrisenstrategen. Die Programme hätten zu viel Wert auf drakonisches Sparen gelegt, zu wenig auf Wachstum. Der "griechische Warnschuss" bestehe in der Erkenntnis, dass radikale Parteien aufsteigen, wenn jene in der Mitte Stagnation tolerieren.

Adam Kinzinger, republikanischer Abgeordneter, wirft die Frage auf, ob nun auch Spanien, Portugal und Italien Reformen über Bord werfen. Aber der Tenor der Debatte ist ein anderer, er lautet etwa so: Auch Europa könne den Aufschwung schaffen, der in den USA in voller Fahrt sei - wenn es denn das Ruder herumwerfe.

Ökonom Paul Krugman wirft der Troika in einer Kolumne sogar vor, "Fantasieökonomie" betrieben zu haben, als sie Athen das erste Sparpaket verordnete und glaubte, die Rezession binnen zweier Jahre beenden zu können. Nach dem Sieg von Alexis Tsipras, so Krugman, wären die europäischen Beamten gut beraten, wenn sie sich weitere Lektionen ersparten. In Wahrheit sei Tsipras weitaus realistischer als diese Offiziellen, die die Züchtigung so lange fortsetzen wollten, bis sich die Moral bessere. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 27.1.2015)