Erwartet große Fortschritte bei der Bildungsreform, aber nur ein bescheidenes Ergebnis bei der Steuerreform: Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll.

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STANDARD: Betrachtet man die österreichische Bildungspolitik - auch nach der Verhandlungsrunde vom Donnerstag -, dann kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass da eine gewisse Mutlosigkeit herrscht. Oder gibt es da irgendeine neue Idee?

Pröll: Ich würde hoffen, dass es keine Mutlosigkeit gibt - auch wenn man den Eindruck haben kann. Und ich bin hoffnungsvoll, weil für mich überraschend und erfreulich der Vorstoß der Bildungsministerin schnell vom Tisch war, eine Schulgröße mit mindestens 300 Schülern festzulegen. Wir zeigen ja vor, dass von rund 1000 Schulstandorten in Niederösterreich jetzt schon 180 mit gemeinsamen Direktionen geführt werden. Das bringt Spareffekte - wir haben ausgezeichnete Erfahrungen damit, dass nicht die Schüler zu den Lehrern, sondern die Lehrer zu den Schülern pendeln.

STANDARD: Mit Verlaub: Das ist eine Organisationsfrage. Ich wollte aber wissen, ob es neue Ideen zur Bildung gibt.

Pröll: Das organisatorische Problem bedingt das inhaltliche - wo keine Schule ist, kann keine Bildungspolitik gemacht werden.

STANDARD: Und Ihr Ansatz zur Bildungspolitik ist seit vielen Jahren: mehr Verantwortung zu den Ländern?

Pröll: Nicht nur. Es muss gemeinsame Bildungsziele für die gesamte Republik geben - damit ja keiner sagt, dass jedes Bundesland ein anderes Ziel vorgibt. Das muss der Bund tun. Aber man braucht eine optimale Verwaltung dieser Bildungsziele. Auf die Unterschiedlichkeit zwischen etwa dem Marchfeld und dem Bregenzerwald muss man auch in der Struktur eingehen. Und dazu kommt die Deregulierung - weil zu viel geregelt ist.

STANDARD: Das führt aber doch erst recht zu einer Auseinanderentwicklung?

Pröll: Ich glaube, dass zu wenig Freiraum für den Idealismus und das pädagogische Engagement der Lehrer gelassen wird. Ich glaube an die autonome Schulverwaltung. Ich glaube, dass der Direktion die Öffnungszeiten der Schulen in einem Rahmen freigestellt werden sollen - bei uns im Weinviertel hat es früher Ferien zur Weinlese gegeben ...

STANDARD: Die wird man im Bregenzerwald nicht brauchen.

Pröll: Eben. Aber ich würde noch weiter gehen: Man kann jeder Direktion freistellen, bis zu 30 Prozent innerhalb des vorgegebenen Lehrplans in Form von Schwerpunkten nach regionalen Gesichtspunkten zu gestalten. Dazu stelle ich mir vor, dass jede Schule im Sachaufwand einen bestimmten Anteil bekommt, um den eigenen Unterricht zu gestalten.

STANDARD: Was dann zu sehr unterschiedlichen Entwicklungen führen kann?

Pröll: Das sehe ich als Chance für Differenzierung: Ich bin für eine "unternehmerische Führung" der Schulen. Wenn man differenziert, kann man die unterschiedlichen Talente der Kinder besser entfalten.

STANDARD: Ganz neu ist das freilich nicht. Schon vor fünf Jahren haben Sie gesagt: Die Länder können die Schulen besser verwalten.

Pröll: Wir waren damals sehr weit, Vieles, was heute auf den Tisch kommt, wäre damals zur Umsetzung bereit gewesen. Allerdings ist von der damaligen Ministerin Claudia Schmid gemeinsam mit dem Bundeskanzler ein Diskussionsverbot verhängt worden. Mit einer Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung hätten wir seither einen dreistelligen Millionenbetrag sparen können. Und das mit besseren Lernerfolgen. Aber ich schaue nicht zurück.

STANDARD: Ich schon: Sie haben damals auch vorgeschlagen, die Diskussion um die Schulorganisation zu entkrampfen, indem man die Grundschule von vier auf sechs Jahre verlängert - womit endlich die verfahrene Diskussion um die Lebensentscheidung mit zehn Jahren und die sturen Positionen zur Gesamtschule aufgebrochen würden. Warum hört man davon heute nichts mehr?

Pröll: Da gibt es Bildungsexperten, die meine Meinung teilen, und welche, die das sehr skeptisch hinterfragen, was ja legitim ist: Ich bilde mir nicht ein, ein Superpädagoge zu sein. Aber wir werden uns in absehbarer Zeit entscheiden müssen, welchen Weg wir gehen. Ganz klar gesagt: Ich erwarte mir, dass ab der nächsten Verhandlungsrunde eine strukturierte Verhandlungsführung erfolgt mit einer Konzentration auf die einzelnen Sachbereiche. Die Bildungsministerin muss wissen, dass auch dann, wenn die Verhandlungsergebnisse auf dem Tisch liegen, wie auch immer sie aussehen, noch viel zu tun bleibt: Das ist mit der Opposition abzustimmen, mit der Lehrergewerkschaft und mit den Eltern.

STANDARD: Wobei ein Ende ja noch weit ist: Grundlegende Änderungen werden ungern diskutiert - weil alle an ihren Standpunkten, also für oder gegen die Gesamtschule, festhalten.

Pröll: Ich kenne kaum ein zweites Politikfeld, wo so unterschiedliche Zugänge diskutiert werden wie im Bildungswesen. Ich bestehe auf einem Punkt ganz besonders: Es muss zur Entpolitisierung der Schule kommen, das bedeutet, dass die Schulratskollegien beseitigt werden, wenn man in jedem Land mit Experten besetzte Bildungsdirektionen schafft. Das würde aufgeblähte Landesschulräte ersetzen.

STANDARD: Sie haben gemeint, dass in kaum einem Politikbereich so kontroversiell diskutiert wird - aber das gilt ja auch für die Umverteilungs-, sprich Steuerpolitik.

Pröll: Da erwarte ich mir in absehbarer Zeit umsetzbare Ergebnisse. Das ist gar nicht so leicht, denn 2015 ist ja in vier Bundesländern ein Wahljahr.

STANDARD: Bei der Steuerreform ist selbst ein Volumen von fünf bis sechs Milliarden nicht ausreichend, damit der Einzelne viel spürt. Der spürt eher den Benzinpreis.

Pröll: Ich warne vor Euphorie und überzogenen Erwartungshaltungen. Ich kann mich an keine Steuerreform erinnern, wo die Bevölkerung vor Freude ihre Hüte in die Luft geworfen hätte. Denn eine Steuerreform, die dem Einzelnen spürbar so viel bringt, dass er jubeln würde, würde das Budgetdefizit zum Explodieren bringen. Und das belastet langfristig noch mehr die Bürger. Daher kann ich nur raten, in den Erwartungen realistisch zu bleiben.

STANDARD: Eine Idee wäre die ökosoziale Komponente, wie sie die ÖVP seit dem Taus-Konzept 1977 fordert: Energie besteuern, Arbeit entlasten.

Pröll: Auch hier ist Maßhalten angesagt: So wie ich den Umweltminister kenne, wird er alle Möglichkeiten abklopfen, wo durch kleine steuerliche Korrekturen ein zusätzlicher Anreiz zu ökologischem Verhalten gegeben werden kann. Aber große Sprünge erwarte ich mir angesichts der Budgetsituation nicht.

STANDARD: Mit Energiesteuern ließen sich ja Erträge generieren.

Pröll: Ja, aber dem sind in der momentanen sensiblen Wirtschaftssituation Grenzen gesetzt. Extreme Hakenschläge könnten sich negativ auf den Wirtschaftsstandort und auf die Arbeitsplätze auswirken.