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Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) muss sich mit Facebook und Google (YouTube) an einen Tisch setzen - denn sie will dschihadistische Propaganda aus dem Netz drängen

Foto: APA

Der "Islamische Staat" ist nicht Al-Kaida. Das merkt man auch auf Youtube. Denn während bei Al-Kaida bärtige alte Männer Endlosmonologe halten, setzt die Terrormiliz IS auf Clips in Hollywood-Ästhetik. Hip-Hop-Musik, unerschrockene Kämpfer, das große Abenteuer. Das ist "sexy" - zumindest für eine erschreckend hohe Zahl europäischer Jugendlicher. So schmückten auch in Österreich in den vergangenen Monaten hunderte Facebook-Nutzer ihre Profile mit IS-Symbolen.

Trockenlegen dschihadistischer Sümpfe

Europäische Innenminister wollen schon seit dem Herbst verstärkt gegen Terrorpropaganda vorgehen. Sie fürchten, dass die PR-Maschinerie der IS-Miliz neue Rekruten nach Syrien lockt. Im Kampf gegen die Terrorpropaganda setzt das Innenministerium dabei auf zwei Strategien: Inhalte sollen gelöscht oder entzaubert werden. Beim "Trockenlegen jihadistischer Sümpfe", wie es der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nennt, kommt die Politik aber an den dafür notwendigen Partnern nicht vorbei, denen (abseits pornographischer Darstellungen) nichts so verhasst ist wie Zensur: den großen US-Tech-Konzernen.

Informationsfreiheit als Maxime

Die entstammen dem Silicon Valley, in dem der Wind des Libertarismus weht - jener politischen Strömung also, der sich auch Wikileaks und NSA-Whistleblower Edward Snowden zugehörig fühlen. Informations- und Meinungsfreiheit gelten als das höchste Gut. Dem stehen in Europa Länder wie Deutschland und Österreich gegenüber, die aus guten Gründen etwa nationalsozialistische Wiederbetätigung unter Strafe stellen.

Mikl-Leitner besuchte Google

Diese zwei Seiten müssen nun gemeinsam einen Weg erarbeiten, um Terrorpropaganda einzudämmen. Dafür flog Innenministerin Johanna Mikl-Leitner etwa nach Zürich, wo Googles größtes europäisches Entwicklungszentrum seinen Sitz hat. Bei ihrem Besuch wollte sie erfahren, mit welchen Methoden der Suchmaschinist hetzerische Inhalte erkennt. Außerdem sollten laut Innenministerium "Ansprechpartner definiert werden".

Der deutsche Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (Die Linke), der sich mit der Thematik beschäftigt, kritisiert solche informellen Treffen scharf: "Durch die Hintertür werden die Provider zu mehr Kooperation gedrängt." Er bemängelt weiters, dass Anbietern eine "europäische Auslegung von Anstand, Sitte und Moral" aufgedrängt wird. Denn Löschen sollen weiterhin die IT-Konzerne selbst.

ISPA: Provider oft überfordert

Für viele Beobachter ergibt sich so ein gordischer Knoten. Man stelle sich ein Löschverfahren oft "einfacher vor, als es ist", sagt etwa Maximilian Schubert. Er vertritt als ISPA-Generalsekretär die österreichische Internetwirtschaft. Schubert verweist auf kleine Provider, die Nutzern den Betrieb von Websites ermöglichen.

Erstellt einer ihrer Kunden nun eine arabischsprachige Website, die als hetzerisch gemeldet wird, überfordere dies den Provider. "Dort arbeiten vielleicht drei Mitarbeiter", so Schubert, "wie sollen die das entscheiden?" Er wünscht sich eine bessere Kommunikation zwischen Verfassungsschutz, Deradikalisierungsinitiativen und der Internetwirtschaft und verweist auf das Projekt Inhop, das Kompetenzen gegen Kinderpornographie bündelt.

Gelöscht wird in asiatischen Fabrikshallen

Im Gegensatz dazu verfügen IT-Giganten wie Facebook, Google oder Twitter über eigene Abteilungen für das Löschen von Inhalten. Wie das US-Magazin Wired unlängst aufdeckte, wird diese Arbeit oft für einen Hungerlohn von Mitarbeitern in Ostasien durchgeführt. Sie sitzen in Fabrikshallen und entscheiden im Akkord, ob etwa ein Foto oder Video zu gewaltverherrlichend sei.

Facebook betont dabei immer wieder, dass der Kontext entscheidend sei. Automatisierte Löschverfahren seien praktisch unmöglich, denn oft bebildern etwa Medien ihre Artikel mit IS-Symbolen. Die Terrorgruppe IS dürfe allerdings auf Facebook nicht in Erscheinung treten, so ein Sprecher zum STANDARD. Aber die Diskussionen "regulärer Nutzer" über Terror und Krieg wolle man nicht zensieren, so Facebook.

Gegenentwurf anbieten

In solchen Nutzerdebatten besteht eine weitere Hoffnung des Innenministeriums. Dort wird geplant, eine "Gegenerzählung" zur IS-Propaganda anzubieten, um die Miliz zu entmystifizieren. In Kooperation mit Deutschland und der Schweiz sollen deutschsprachige Inhalte erstellt werden, die Jugendlichen Alternativen zum Islamismus aufzeigen. Für den Politwissenschafter Thomas Schmidinger ist die Idee sinnvoll: "Wer etwa auf Youtube nach islamischen Inhalten sucht, findet fast nur neosalafistische und jihadistische Inhalte".

Glaubwürdigkeit behalten

Allerdings sei laut Schmidinger entscheidend, wer die "Gegenpropaganda" erstelle und verbreite. Dass etwa das US-Außenministerium mit einer Kampagne in Erscheinung tritt, hält er für zu offensichtlich: "Hier fehlt die Legitimität." Schmidinger hofft, dass die Gegenerzählungen in Eigeninitiative aus der muslimischen Community entstünden. Denn nur dann hätten sie eine Chance. (Fabian Schmid, DERSTANDARD, 24./25.1.2015)