Istanbul - Der frühere türkische Präsident Abdullah Gül hat die Politik seines Nachfolgers Recep Tayyip Erdogan kritisiert. Politische Stabilität beruhe nicht nur auf parlamentarischen Mehrheiten, sagte Gül nach einer Meldung der Zeitung "Hürriyet" vom Freitag bei einem Treffen mit früheren Ministern und Abgeordneten in Istanbul.

Gül forderte mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Zudem wandte er sich gegen Erdogans Pläne zur Einführung eines Präsidialsystems.

Forderung nach Stärkung des Parlaments

Wenn die Türkei einen Systemwechsel brauche, dann müsse dieser darin liegen, den Einfluss der Exekutive auf das Parlament zu verringern, sagte Gül dem Bericht zufolge. Mit dieser Forderung nach einer Stärkung des Parlaments stellte sich der Ex-Staatschef gegen das Ziel Erdogans, dem Präsidentenamt die zentrale Rolle im politischen System zuzusprechen.

Gül und Erdogan sind politische Weggefährten, lagen in der Endphase von Güls Präsidentschaft im vergangenen Jahr aber in mehreren politischen Fragen über Kreuz. So kritisierte Gül die Entscheidung Erdogans, den Zugang zum Kurznachrichtendienst Twitter in der Türkei blockieren zu lassen. Das Verfassungsgericht hob damals die von Erdogans Regierung verfügte Sperre wieder auf. Während Gül das Gericht dafür lobte, kritisierte Erdogan die Richter scharf. (APA, 23.1.2015)