Die Wiener Autorin und Kuratorin Eschi Fiege wohnt mit vielen Tischen. Ihre Naschmarkt-Wohnung verwandelt sich regelmäßig in ein Mittagsbistro für Freunde. Wojciech Czaja war zu Gast. Mahlzeit!

"Mein Wohnzimmer ist ein kleines Bistro für meine liebsten Freunde. Je nachdem, wie ich Zeit habe, mache ich ein- bis zweimal pro Woche einen Mittagstisch, zu dem ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis einlade. Manchmal passiert es, dass die Freunde wiederum ihre Freunde mitnehmen, und ja, dann steht plötzlich eine mir völlig fremde, aber irgendwie doch vertraute Person vor mir und sagt 'Mahlzeit!'. Ich finde das lustig.

Die Wohnung ist ein urbaner Bauernhof, sagt Fiege. Das Wohnzimmer verwandelt sich ein- bis zweimal in der Woche in ein Bistro für Freunde - und Freunde von Freunden.
Foto: Lisi Specht

Als meine Tochter Elsa in die Schule gekommen ist, habe ich begonnen, mittags für sie zu kochen. Immer wieder hat sie ihre Freundinnen mitgenommen, und so machten meine Kochkünste die Runde durch Wien. Das war der Anfang. Die Eschi hinterm Herd? Pure Leidenschaft! Ich liebe es, den Kochlöffel zu schwingen und die Menschen zu verwöhnen. Seit 2011 mache ich das regelmäßig. Das Ganze nennt sich 'Mittagstisch', und sobald ich in der Küche stehe und wieder etwas Vegetarisches vorbereite, hänge ich am Balkon eine große Fahne raus, die man von der ganzen Wienzeile und vom Naschmarkt aus sieht.

Ich mag es, meine Wohnung mit anderen Menschen zu teilen. Das war immer schon ein öffentlicher Ort, ein richtig wildes Haus. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Damals war das eine Künstlerwohnung, in der Schauspieler ein- und ausgegangen sind. Später dann einmal eine WG mit ich weiß nicht wie vielen Menschen, und nun wohne ich hier mit meiner Tochter. So, wie wir die Wohnung nutzen, würde ich sie als urbanen Bauernhof bezeichnen. Wir leben, so sehr das halt in der Stadt geht, mit der Natur und dem Lauf der Jahreszeiten. Zwei Katzen gibt's auch.

Die Wohnung befindet sich direkt über dem Theater an der Wien, hat fünf große Zimmer und circa 200 Quadratmeter. Das Haus wurde um 1900 von den beiden Theaterarchitekten Fellner & Helmer errichtet. Das Schönste für mich ist, dass die Räume hier vor Geschichte und Geschichten strotzen. Diese Wohnung ist ein wesentlicher Teil meiner Identität, hier schöpfe ich Kraft, hier gehöre ich hin. Was ich hier schon alles erlebt habe! Das Zimmer hinter mir war vor vielen, vielen Jahren mit rotem Samt tapeziert, wir haben Sacher-Zimmer dazu gesagt, und da, wo jetzt der Spiegel steht, stand einst mein Bett ... und weg war sie, die Jungfräulichkeit.

Was die Möbel betrifft, so ist das eine wilde Mischung aus Barock, Biedermeier, Theaterrequisiten, Bauernmöbeln, Plastikstühlen aus den Sechzigern und ein paar omnipräsenten Ikea-Teilen. Ein Bekannter von mir hat das mal als 'Shabby Chic' bezeichnet. Ich bin ein sehr unorthodoxer Mensch, was Möbel betrifft. Ich habe kein Gesamtkonzept, sondern nehme mit, was mir gefällt, und hoffe, dass sich das dann stilistisch irgendwie ausgeht. Meist haut's hin. Manchmal ist die Mischung grauenvoll. Dann fange ich an, die Möbel umzustellen und die Wohnung auf den Kopf zu stellen.

Das Umswitchen auf mein Privatleben, nachdem der Mittagstisch-Trubel vorbei ist, fällt mir eigentlich gar nicht schwer. Das Einzige, was mir fehlt, ist ein Schreibtisch. Virginia Woolf hat in ihrem Essay einmal gemeint, jede Frau braucht ein Zimmer für sich allein. Mein Zimmer ... das wäre ein Arbeitszimmer. Aber was soll ich sagen? Es gibt bereits zehn Tische, die in der Wohnung herumstehen. Ich denke, das reicht.

Mein Traum für die Zukunft? Ich würde den Hof gern einmal an meine Tochter übergeben. Eines Tages, wenn ich ganz, ganz alt bin, würde ich auf einem richtigen Bauernhof leben wollen, irgendwo in der Einöde, am liebsten mit Ziegen. Dann würde ich den ganzen Tag kochen und Zimmer vermieten. Wer also einen Bauernhof abzugeben hat, der möge mich bitte kontaktieren." (DER STANDARD, 24.1.2015)