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Wie viel ist der Euro wert? Darauf wird gerade versucht mächtig Einfluss zu nehmen.

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Die ersten Reaktionen fallen so aus wie erwartet und gewünscht, die Märkte dies- und jenseits des Ozeans reagieren erfreut.

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Frankfurt/Wien - Der Euro ist unter Druck und rutscht erstmals seit September 2003 unter die Marke von 1,13 Dollar, die Anleger an den Börsen in Asien und Europa sind in Kauflaune (siehe Marktberichte). Der deutsche Leitindex Dax startet gleich mit einem Rekordhoch von 10.621,41 Zählern in den ersten Handelstag, auch an der Wiener Börse herrscht gute Stimmung - auch wenn die Börsen im Tagesverlauf die Gewinne etwas eingrenzen. Die Renditen der südeuropäischen Staatsanleihen fallen erneut auf neue Tiefststände.

Die ersten Reaktionen an den Finanzmärkten auf die EZB-Entscheidung am Donnerstag verlaufen wie geplant, die Reaktionen sind geteilt. Ein Rettungspaket für marode Banken, illegal und unsolide Staatsfinanzierung durch die Notenpresse: Der Präsident des deutschen Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, ließ keinen Zweifel daran, dass er mit der Entscheidung der Europäischen Zentralbank, im Notfall für eine unbegrenzte Zeit zu intervenieren und Staatspapiere zu kaufen, nicht einverstanden ist. Das sei nach Artikel 123 des EU-Vertrags eigentlich verboten und bedürfe der Klärung durch das deutsche Verfassungsgericht, sagte Sinn in München.

Bankenrettung

Der Hauptgrund für die Beschlüsse der EZB sei nicht die Bekämpfung der Deflation, sondern die Rettung der Banken und der Krisenländer. "Die Käufe werden die Kurse der von den Banken gehaltenen Staatspapiere erhöhen und den Banken neues Eigenkapital verschaffen", so Sinn. Seine Kritik fasst recht gut zusammen, was man in Deutschland überwiegend bereits im Vorhinein von der Sache hielt: Die ohnehin niedrigen Zinsen auf Staatspapiere würden weiter sinken und die Anreize zur Neuverschuldung insbesondere bei den Krisenstaaten vergrößern, was den Reformdruck verringere.

"Wenn 20 Prozent der Käufe in gemeinschaftlicher Haftung liegen, bedeutet das, dass die EZB zu 20 Prozent Eurobonds schafft. Es ist bemerkenswert, dass die EZB in aller Deutlichkeit erklärt hat, dass das Programm fiskalische Risiken für die Steuerzahler mit sich bringt. Diese Risiken werden zu einem Teil über die Landesgrenzen umverteilt", kritisierte Sinn.

Währungskommissar: Draghi hat richtig gehandelt

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hat mit dem Handeln der EZB hingegen mehr Freude: "Ich glaube, dass Herr Draghi im Interesse der Eurozone insgesamt gehandelt hat", sagte der Franzose dem "Handelsblatt" vom Freitag. Es handle sich um ein wichtiges Programm, das der "niedrigen Inflation" und dem "schwachen Wachstum" in der Währungsunion Rechnung trage. Es gebe Risiken durch eine Deflation. "Sie ist noch nicht da, aber es ist besser, sie zu verhindern."

Nowotny: Haben unser letztes Pulver verschossen

Auch Österreichs Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny sieht nach dem Anleihenkaufprogramm kaum noch Spielraum für geldpolitische Maßnahmen der EZB. "Wir haben jetzt mehr oder weniger unser letztes Pulver verschossen. Wir sollten sehr vorsichtig sein", so Nowotny im ORF-Fernsehen. Er persönlich hätte mit dem Start dieses Programmes lieber noch etwas zugewartet. Ob die EZB das Pulver zu früh verschossen habe, werde sich aber erst zeigen. "Ich bin für einen etwas vorsichtigeren Ansatz." Im Ö1-"Morgenjournal" erklärte Nowotny, dass er "diesen Beschluss ganz offen gesagt nicht mitgetragen" habe.

Für die OeNB bedeutet der Beschluss, dass sie gemäß Kapitalschlüssel pro Monat drei Milliarden Euro Anleihen kaufen wird. Vermutlich werden es österreichische Staatspapiere sein. Auch Nowotny erwartet für die Steuerzahler keinen unmittelbaren Effekt. Volkswirtschaftlich kann die Wirkung sein, dass es zu einer weiteren Abwertung des Euro kommt. Für eine Exportnation wie Österreich keine ungünstige Entwicklung, weil der Kauf von Waren in Österreich damit günstiger wird. Der Vorteil: Die Chance auf höhere Arbeitsplatzsicherheit steigt.

"Programm hat Vor- und Nachteile"

Das Anleihenkaufprogramm habe sowohl Vor- als auch Nachteile, sagte der Notenbankchef. Einerseits solle es ein Beitrag zur Wirtschaftsbelebung sein und die Gefahr einer Deflation beseitigen. Der Nachteil aus seiner Sicht sei, dass die EZB schon in letzter Zeit einige Programme vorgenommen habe und es sinnvoll gewesen wäre, die Wirkung dieser Programme abzuwarten.

Dass die beschlossene Summe rund doppelt so hoch ausgefallen ist wie im Vorfeld erwartet, hängt laut Nowotny mit der Argumentation zusammen, dass man die Märkte mit solchen Programmen "wirklich beeindrucken" solle. "Das geht nur mit sehr großen Summen." Persönlich sei er aber der Meinung, man sollte sich nicht allzu sehr von den Märkten treiben lassen. "Die Notenbank sollte nicht unbedingt den Märkten folgen, sondern bestimmte Dinge vorgeben."

Zur Kritik, der Reformeifer in den Euro-Krisenstaaten werde jetzt nachlassen, meinte Nowotny, er sei diesbezüglich eher vorsichtig. "Das ist ein sehr politisches Argument. Die Notenbank sollte nicht den Ehrgeiz haben, in die Politik der Staaten einzugreifen." Es sei Aufgabe der EU-Kommission, für eine richtige Finanzpolitik zu sorgen.

Derzeit habe man leider nur ein sehr schwaches Wirtschaftswachstum. Die Staaten allein zu stärken werde nicht reichen, man werde auch die produktiven Bereiche stärken müssen. "Man darf die Wirkung der Geldpolitik nicht überschätzen", so Nowotny.

Warnung vor "Nord-Süd-Konflikt"

Als "ein bisschen gefährlich" bezeichnete Nowotny die Tendenz mancher deutscher Kommentatoren, die Probleme in der Eurozone auf einen reinen Nord-Süd-Konflikt herunterzubrechen. Das sei nicht der richtige Ansatz. Es gebe auch im Norden Staaten mit Problemen und im Süden einige, die sich sicher bemühen. "Das ist eine gefährliche Perspektive", so Nowotny.

Es sei zu befürchten, dass sich der Nord-Süd-Konflikt jetzt verstärke, das wäre aber eine "sehr unglückliche" Entwicklung. "Es ist eine Illusion vieler deutscher Kommentatoren, zu glauben, man könne sich auf seinen Wohlstand zurückziehen." Ein Land wie Deutschland mit enormen Exportüberschüssen brauche Länder, in die es exportiere. "Auch für Banken ist es wichtig, wie es ihren Kreditnehmern geht", verglich Nowotny. Im europäischen Kontext sei das eine ungute Diskussion. (APA, Reuters, red, 23.1.2015)