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Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

Foto: EPA/LAURENT GILLIERON

Mit Spannung wurde auf die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Staatsanleihenkauf in Davos gewartet. Auf den Podien und in den Gesprächen auf den Gängen gab es am Donnerstag kein wichtigeres Diskussionsthema.

Da bekanntlich Deutschland eine sehr restriktive Haltung zu dem EZB-Schritt einnimmt, wollten besonders viele die Einschätzungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu diesem Schritt hören. Sie übte in ihrer Rede nicht offen Kritik, betonte aber zwei Mal, dass die EZB ihre Entscheidungen in völliger Unabhängigkeit treffe. Sie erinnerte aber daran, dass die Politik weiterhin gefordert sei. Die Entscheidung der EZB "darf nicht davon ablenken, dass die eigentlichen Wachstumsimpulse durch vernünftige Rahmenbedingungen durch die Politik gesetzt werden müssen und auch gesetzt werden können". Fiskalreformen seien weiterhin notwendig, mahnte Merkel.

Nicht uneingeschränkt positiv

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der sich am Donnerstag in Davos aufhielt, äußerte sich am Rande des Weltwirtschaftsforums im Gespräch mit dem Standard nicht uneingeschränkt positiv zum EZB-Entscheid: "Ich sehe das sehr ambivalent. Wenn wieder Geld ins System fließt, wird der Druck auf Länder, Reformen anzugehen, wieder geringer. Es ist Unsicherheit da." So stelle sich die Frage, wie etwa die Auswirkungen auf die Euro-Franken-Relation seien. "Man befürchtet, dass noch nicht alles eingepreist ist. Das wird die Schweiz im Wachstum beschränken, weil man Einbrüche bei den Exporten hat. Die Schweiz ist aber eine Lokomotive im europäischen Wirtschaftsgeschehen."

Dagegen vertrat die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, die Einschätzung, dass das EZB-Programm bereits zu wirken begonnen habe. Dieser Ansicht schloss sich auch der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers an, der den Schritt der EZB begrüßte.

Ebenfalls positiv äußerte sich am Donnerstagabend bei einem Treffen mit Journalisten der US-Investor George Soros, der mit Spekulationen gegen das britische Pfund ein Vermögen gemacht hatte. Die EZB habe ein "sehr mächtiges Bündel an Maßnahmen" implementiert, das seine Wirkung entfalten werde.

Die Maßnahmen seien spät umgesetzt worden, würden aber effektiv sein. "Die hohen Erwartungen wurden sogar übertroffen", sagte Soros. Ein fiskalischer Stimulus wäre effektiver und hätte weniger Nebeneffekte, meinte Soros, der wiederholt insbesondere Deutschland zum Abgehen von seiner strikten Sparpolitik aufgefordert hatte. So würde die ganze Last auf den Zentralbanken liegen.

Als "mit einem Lächeln willkommen" hieß der finnische Premierminister Alexander Stubb die Entscheidung der EZB. Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, forderte von Davos aus von der EZB eine weiterhin lockere Geldpolitik, um die Wirtschaft zusätzlich zu stimulieren. Wie Merkel betonte der niederländische Finanzminister aber, die Maßnahmen der EZB würden die einzelnen Regierungen nicht von der Aufgabe entbinden, ihre Wirtschaft zu reformieren und wettbewerbsfähiger zu machen. Er verwies auf Italien und Frankreich. Häufiger gab es in Davos Lob über Spaniens Reformweg.

Fed im Gespräch

In Davos wurden aber auch mögliche Entscheidungen der US-Notenbank Fed diskutiert. IWF-Chefin Lagarde rechnet bereits für diesen Sommer mit einer Zinswende in den USA. "Wir erwarten, dass es eher in der Mitte des Jahres als am Ende passieren wird", sagte Lagarde. Dass die US-Notenbank Fed erstmals seit der Finanzkrise wieder die Leitzinsen erhöhen werde, sei eine gute Nachricht. Es zeige, dass sich die US-Wirtschaft weiter erhole und an Stärke gewinne. Dabei seien negative Begleiterscheinungen nicht auszuschließen. Dagegen warnte der Präsident der Investmentbank Goldman Sachs, Gary Cohn, vor einer Zinserhöhung in den USA zu einer Zeit, da in anderen Regionen der Welt die Geldpolitik noch weiter gelockert wird.

Einen regelrechten Schlagabtausch lieferten sich Lagarde und Summers auf einer Podiumsdiskussion, als die Sprache auf den Euro kam. Summers bezeichnete eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Fiskalpolitik als "unverantwortlich". Die Französin Lagarde warb um Verständnis: Die Politik in Europa sei noch nicht so weit, dass sie darüber verhandeln könne.

Mitterlehners Davoser Lehren

Danach gefragt, was er von seinem ersten Besuch aus Davos mitnehme, sagte Mitterlehner: "Dass es hier ein intensives Ringen gibt auf Basis der Erkenntnis, dass Europa eine Wachstumsschwäche hat und dass man Maßnahmen setzen muss." Man merke das Bemühen, Europa gemeinsam zu leben, "während ich in Österreich manchmal den Eindruck habe, hier herrscht die Einschätzung vor, wir hätten eine Parallelentwicklungsmöglichkeit"(Alexandra Föderl-Schmid aus Davos, DER STANDARD, 23.1.2015)