Anna Khodorkovskaya, Gewinnerin des Strabag Artaward International 2014, mit einer ihrer Skulpturen aus der Schau "Bruchstücke".

Foto: Manuel Carreon Lopez

Wien - Werbung gehört im 21. Jahrhundert ebenso zu den Tatsachen unserer Welt, wie es Bäume oder die Vögel auf den Ästen dieser Bäume tun. Und genauso, wie Künstlerinnen und Künstler immer schon mit der Natur gearbeitet haben, arbeiten sie heute mit Werbung. Auch Anna Khodorkovskaya, Preisträgerin des Strabag-Kunstpreises 2014, integriert in ihren Werken Elemente der alltäglichen Werbe- und Konsumflut. Auf ihren großflächigen, streng reduzierten Acrylgemälden, die derzeit in der Schau Bruchstücke in der Artlounge des Preisstifters zu sehen sind, transformiert sie ausgerissene Schnipsel aus Werbeprospekten in abstrakte Zeichnungen.

Die 1985 in Moskau geborene Künstlerin, die seit 2011 in der Klasse für abstrakte Malerei bei Erwin Bohatsch an der Akademie der bildenden Künste studiert, interessiert die spezielle Ästhetik der Werbung. "Das ist unsere visuelle Kultur", stellt sie fest. "Ich habe das bemerkt, als ich aus Moskau kam und anfangs kaum Deutsch verstand. Da ich die Information nicht lesen konnte, fiel mir auf, was für eine Masse von Buchstaben, Farben da ist." Die trashige, marktschreierische Aufmachung hat für sie etwas Ambivalentes. "Diese Ästhetik ist irritierend. Auf der anderen Seite hat es eine starke Energie. Schreckliches kann auch attraktiv sein."

Nur noch Augen sehen

Die Fülle der Konsumwelt verschwinde in der Reduziertheit der Gemälde - während ihre Skulpturen, die ebenfalls in der Ausstellung gezeigt werden, alles in sich "aufsaugen" würden. "Die Bilder sind sozusagen das Ausatmen, die Skulpturen das Einatmen." Letztere bestehen aus Spielzeugfiguren, Malereizubehör, aber auch abstrakten Objekten, die allein aus Acrylfarbe bestehen. Die Augen der Figuren hat Khodorkovskaya alle übermalt: "Augen sind sehr anziehende Elemente. Wenn du Augen siehst, dann siehst du nur noch Augen. Das Abstrakte ist wichtig für mich: Es muss wie eine Masse von 'etwas' sein - aber nichts Bestimmtes."

Khodorkovskaya arbeitet nicht nur mit Malerei oder Skulpturen. Daneben macht sie Internet- oder Medienprojekte wie etwa die Performancereihe Art Stream Shop, die auch eine eigene Webseite hat.

Von Zeit zu Zeit organisiert Khodorkovskaya gemeinsam mit einer Kollegin Verkaufsshows in Kunsträumen, die Live-Publikum haben und stark an Teleshoppingformate erinnern - nur dass hier Kunst verkauft wird. Wer nicht live bei der Performance dabei sein kann, hat auch per Livestream und Telefon oder Mail die Möglichkeit, Kunst zu überaus günstigen Preisen zu erstehen - wobei die Angebote nur für die Dauer der Performance gelten. Danach kosten die Werke wieder ein Vielfaches davon.

Viele Menschen, erzählt sie, würden nicht verstehen, wie das Projekt einerseits Kritik am Kunstbetrieb üben könne, gleichzeitig aber regulär Kunst verkauft werde. Genau diese Zweifel will Khodorkovskaya aber nutzen - und auf die Lebensrealität junger Kunstschaffender aufmerksam machen. Die meisten von ihnen, erzählt sie, bräuchten einen Brotjob, um genug zum Leben zu verdienen. Da ist die Direktvermarktung der eigenen Werke, wie sie auch Bauern betreiben, durchaus eine Option. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 23.1.2015)