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Teure Laborausrüstung wie ein Elektronenmikroskop könnte viel effizienter eingesetzt werden, wenn Geräte und ganze Versuchsaufbauten im Rahmen von Online-Labs und Online-Engineering übers Internet zugänglich werden.

Foto: Hubert Raguet/picturedesk.com

Klagenfurt - Chemiker, Physiker, Biologen und Entwickler diverser Hightechanwendungen vom innovativen Baustoff über neue Impfstoffe bis zur fortschrittlichen Datenspeichertechnik verbringen viel Zeit in Labors. Berechnungen, Entwürfe, theoretische Arbeiten verlangen nach Verifizierung und Weiterentwicklung in praktischen Experimenten, die noch keine Computersimulation vollständig ersetzen kann. Die Laborarbeit könnte aber effizienter gestaltet werden, wenn die Forscher nicht mehr vor Ort sein müssten, sondern ihre Versuche einfach über das Internet durchführen könnten.

Die Entwicklung sogenannter Online-Labs zielt genau darauf ab. Immer mehr Wissenschafter weltweit arbeiten daran, Laborexperimente mit Kommunikationstechnologie zu verbinden, um sie möglichst vielen Benutzern aus der Ferne zugänglich zu machen. Michael Auer von der Fachhochschule Kärnten ist seit mehr als zehn Jahren an den Entwicklungen beteiligt und einer der Pioniere auf dem Gebiet. "Mit den Online-Labs werden Dinge möglich, die sich beispielsweise eine Schule oder Universität sonst gar nicht leisten könnte", sagt der Hochschullehrer des Studienbereichs Engineering & IT. Vom gemeinsam genutzten Elektronenmikroskop bis zum Forschungskernreaktor seien viele Anwendungen denkbar.

Auer arbeitet daran, die Online-Labs als Teil der Lehre zu etablieren. Im Rahmen des Nachwuchsforschungsprogramms "Sparkling Science" des Wissenschaftsministeriums kooperiert er mit seinen Kollegen in dem Projekt "Online Labs 4 all" mit drei Kärntner HTLs. In Klagenfurt arbeiten Schüler der HTL Mössingerstraße beispielsweise an einem Experiment im Bereich der Schaltungstechnik. Über eine Webanwendung lassen sich elektronische Bauelemente wie Widerstände oder Kondensatoren zu einem elektronischen Bauplan verbinden.

Im zentralen Versuchsaufbau sollen dann die entsprechenden realen Bauteile in einer integrierten Schaltungsmatrix automatisch gemäß den Onlineanweisungen verbunden werden. Sensoren können somit verschiedene Parameter, beispielsweise die Temperaturentwicklung, am tatsächlichen Experiment messen und wiederum über das Web-Interface anzeigen.

Roboter-Algorithmen testen

Die HTL Villach entwickelt dagegen ein Experiment im Bereich Bauwesen, bei dem nach Bedarf eine bestimmte Kraft auf einen Balken drückt, um die daraus resultierende Verformung zu messen. Und die HTL Wolfsberg schickt Miniroboter ins Rennen, die online programmiert werden, um bestimmte Aufgaben, wie das Sortieren von Bausteinen, zu erledigen. Die Schülergruppen müssen dabei sowohl den Versuchsaufbau als auch die nötige Programmierarbeit erledigen, die das Experiment in die virtuelle Welt übersetzt.

Die jungen Tüftler bedienen sich dabei der Systemarchitektur iLab, die am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt wurde. Zentrales Element des Systems sind sogenannte Broker - Computerserver, die zwischen dem Experiment und dem Anwender vermitteln und die Messdaten für die Onlineverwendung aufbereiten. Benutzer verbinden sich über ihn mit den Laborexperimenten.

Seit 2009 arbeiten Auer und Kollegen mit dem MIT zusammen. Mittlerweile sind bereits einige Interfaces, die die Broker auf ein bestimmtes Laborgerät zugreifen lassen, an der Fachhochschule Kärnten entstanden.

Gemeinsam mit dem MIT und der University of Technology in Sydney hat die FH Kärnten 2010 auch das Global Online Laboratory Consortium GOLC gegründet, in dessen Rahmen sich die Forschungsdisziplin jährlich auf Kongressen austauscht.

Die Onlineexperimente, die an den HTLs entstehen, sollen später gemeinsam mit weiteren Schulen erprobt werden, um Grundlagen für Verbesserungen und zukünftige Entwicklungen zu erhalten. Auer ist es wichtig, dass die Schüler in den internationalen Austausch eingebunden werden und ihre Arbeit selbst auf Kongressen und im direkten Austausch mit Partnerschulen vorstellen können.

Mit Cern und Esa im Labor

Im Rahmen des EU-Projekts "Global Online Science Labs for Inquiry Learning at School" kooperieren die Kärntner zudem mit einer ganzen Reihe europäischer Institutionen von technischen Universitäten über die Weltraumagentur Esa bis zum Kernforschungszentrum Cern, um den Einsatz von Online-Labs in Schulen zu erproben und einen pädagogischen Rahmen zu erarbeiten. Auer und Kollegen wollen dafür eine technische Brücke realisieren, die zwischen iLab und dem europäischen Smart-Lab-Netzwerk, das die EPFL Lausanne aufgebaut hat, zusammenbringt.

Das Konzept der online zugänglichen Experimente und Geräte wird in Zukunft nicht nur in der Lehre eingesetzt werden, sondern auch im Bereich der Forschung und Produktentwicklung, ist Auer überzeugt.

Online-Engineering lautet das Schlagwort, das in eine Welt passt, die von verstärkt dezentralen Produktionsstrukturen und einer hochgradig autonomen und vernetzten "Industrie 4.0" geprägt ist. In so einer Zukunft mit online zugänglichen Versuchsaufbauten ist es dann auch egal, wo genau das Elektronenmikroskop steht, mit dem etwa eine Nanobeschichtung untersucht wird. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 21.1.2015)