Wien – Österreich ist ein Entwicklungsland in Sachen Wagniskapital. Es fehle an einer Risikokultur und damit auch an Geld für die Gründung junger, innovativer Unternehmen. Dies sei ein großer Nachteil, so eine Expertenrunde bei den "Wirtschaftspolitischen Gesprächen" in der Wirtschaftskammer. Denn Innovationen führten zu Erneuerung der Wirtschaftsstrukturen. In den jungen Start-ups stecke der Keim des Neuen, sie seien die erfolgreichen Arbeitgeber von morgen.

In Österreich jedoch, so der Tenor der Experten, gebe es Hemmnisse im Bereich Bürokratie, Steuergesetzgebung und Patentrecht. Die Venture-Capital-Szene sei überschaubar; nur wenig Finanzmittel werden als Wagniskapital aufgestellt.

Ex-Rewe-Vorstand Werner Wutscher, der sich als Geschäftsführer der News Venture Scouting an Start-ups beteiligt und solche berät, verwies auf eine Untersuchung seines Unternehmens, wonach 300 österreichische Start-ups ins Ausland gegangen seien, weil sie hierzulande keine Finanzierung gefunden hätten.

Family, Friends, Fools

Laut Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der staatlichen Förderbank aws, werden rund 31 Millionen Euro Wagniskapital im Jahr in Österreich aufgestellt. Dies sei nicht nur im Vergleich zu den USA, dem Mutterland des Venture Capital (VC), unterdurchschnittlich, sondern auch im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Anstatt von VC-Kapitalgebern seien die typischen Financiers eines Start-ups die drei "F" – Family, Friends, Fools.

Ex-IHS-Chef Christian Keuschnigg zufolge gehört Risikokapital zu einem ausbalancierten Kapitalmarkt dazu. Start-ups müssten anders finanziert werden als herkömmliche Unternehmen, auch weil Bankkredite in der Anfangsphase meist nicht infrage kommen. "Die Investitionen mit den höchsten Erträgen sind auch die riskantesten", sagte Keuschnigg. Wegen des großen Ausfallrisikos seien besonders viele Gründungen nötig, damit einige wenige zu wirklich großen Unternehmen heranwachsen können. "Innovative Start-ups sind die nächste Generation von multinationalen Konzernen."

Jobmaschine

In den USA beobachtet eine ganze Beratergilde Aufstieg und Fall von jungen, oftmals Hightech-Unternehmen. Der US-Start-up-Experte Matthew Rhodes-Kropf von der Havard Business School verwies darauf, dass in den USA jeder fünfte Job durch eine Neugründung geschaffen wurde.

Auch in den USA ist die Ausfallrate hoch. Jedes zweite Start-up scheitert. Seit 1987 haben es nur 13 Prozent an die Börse geschafft. Nur im Rückblick sei klar, dass etwas Erfolg (oder Misserfolg) habe, erläuterte Rhodes-Kropf. Dies sei anfangs auch bei so namhaften Unternehmen wie Google, Apple, Ebay, Fedex, Intel oder PayPal nicht klar gewesen. Alle diese Unternehmen hätten vor gar nicht so langer Zeit als Start-ups begonnen. Der auf solche Start-ups spezialisierte Wagniskapitalgeber Sequoia Capital habe in etwa 15 Jahren das eingesetzte Kapital um das 320-Fache vermehrt.

Auch gebe es in den USA Standorte, die besonders affin für eine Branche und damit die Gründung eines Start-ups seien: Biotechnologie in Boston, Öl in Texas und Informationstechnologie in Kalifornien. (ruz, DER STANDARD, 20.1.2015)