Sorgte am Hof des prachtliebenden Sonnenkönigs Ludwig XIV. für musikalische Opulenz und Sinnlichkeit: der in Florenz geborene Komponist und Balletttänzer Jean-Baptiste Lully (1632-1687).


Foto: Stich von Henri Bonnart

Wien - Einen glänzend roten Granatapfel hat sich das Alte-Musik-Festival Resonanzen heuer als Sujet gewählt - eine Anspielung auf jenes Symbol der Macht, das assoziativ zum Motto "Fürstenspiegel" überleitet. Gemeint ist damit die alte Idee, die Musik würde die Ordnung des Staates mit dem Herrscher an der Spitze widerspiegeln.

Ähnliche Gedanken formulierte der Komponist Heinrich Ignaz Franz Biber Ende des 17. Jahrhunderts: Die Musik versinnbildliche den Fürsten und seinen Hof, da "der Verstand die Führung hat, die Finger lenken, die Saiten aber gehorchen".

Assoziativ geht es auch im Programm und im dazugehörigen Almanach weiter, in dem unter anderem der Ex-Chef von Kathrin Nachbaur sowie die Kronen Zeitung ihr Fett abbekommen - Letztere sogar aus der berufenen Feder des Politologen Anton Pelinka.

Musik aus der Zeit des Barock kann, mag sie noch so engagiert gespielt werden, durch die Ordnung und Harmonie, die ihr innewohnen, zum Genießen verleiten. Und die Resonanzen versuchen, durch ihre Selbstkommentare und Themenstellungen stets auch einen gesellschaftspolitischen Anspruch anzumelden und zwischen den Konzerten zum Nachdenken anzuregen.

Dass die (meisten) Veranstaltungen dennoch ganz auf die Kunst konzentriert sind, ist ganz gut so. Schon die heurige Eröffnung des noch bis zum 25. Jänner dauernden Festivals glich einem Fest, wobei das vor allem für das pralle Klangerlebnis galt. Aber auch hier gab es eine Verbindung zum Motto.

Opulenz und Sinnlichkeit

Es wären nämlich nicht die Resonanzen, wenn nicht auch hier ein knallroter Faden durchgeführt hätte: Dramaturgisch klug und schlüssig war das Konzert eine Reise in die Welt des Sonnenkönigs Ludwig XIV., der bekanntlich einen besonderen Hang hatte, seine Existenz mit allem Prunk - und natürlich auch reichlich Musik - zu bespiegeln.

Sein Haus- und Hofkomponist Jean-Baptiste Lully sorgte allerdings nicht nur für Pomp and Circumstances, für berittene Kostümshows im Park von Versailles - eine Fanfare aus diesem Zusammenhang läutete den Abend ein -, sondern schrieb für seinen König auch unzählige elaborierte Meisterwerke. Dazu gehört auch das großformatige Te Deum, das das Orchester Le Poème Harmonique und der Chor Capella Cracoviensis im zweiten Teil auf das Programm gesetzt hatten.

Auch in der geistlichen Komposition ist größtmögliche Prachtdemonstration für Lully selbstverständlich, die aber musikalisch in neue Höhen führte: Das Werk ist voller Schwung und Sinnlichkeit, zumindest in einer so glühenden Wiedergabe wie durch den Dirigenten Vincent Dumestre, handverlesene Solisten und die beiden noblen Alte-Musik-Formationen.

Selbst im großen Konzerthaussaal zeigte sich der Orchesterklang voll und tragfähig, und der Chor verband Homogenität und Fülle mit natürlicher Klarheit - unter anderem auch bei den bunt gemischten kleineren Stücken von Marc-Antoine Charpentier, die sinnreich zwischen der weltlichen und geistlichen Sphäre vermittelten.

Barocker Walzerschritt

Einen Tag vor der Resonanzen-Eröffnung zeigte sich ein hiesiges Alte-Musik-Ensemble von einer ungewohnten Seite: Das L'Orfeo Barockorchester präsentierte im Goldenen Musikvereinssaal gewissermaßen seine leicht verspätete Form des Neujahrskonzerts. Bis zur Strauß-Familie drang man allerdings nicht vor, sondern widmete sich der Vor- und Frühgeschichte des (Wiener) Walzers, und zwar in einer überraschenden Gegenüberstellung von Tänzen von Beethoven und Joseph Lanner, dem Urvater der Wiener Tanzmusik.

Mit unverkennbar historischer Tongebung, die eher an noch ältere Stile erinnerte, wirkten insbesondere die mehrteiligen Walzer-Kompositionen Lanners ebenso frisch wie fragil. Gestisch sorgte die Ensemblegründerin und Geigerin Michi Gaigg, diesmal ausschließlich als Dirigentin, mit viel Gespür für das richtige Timing und Beschwingtheit.

Der Gesamtklang geriet allerdings manchmal ein wenig massiv und schwer - ganz im Gegensatz zu seinen einzelnen Komponenten. Das wirkte dann ein wenig so, wie wenn sich viele gute Tänzer auf einer viel zu vollen Tanzfläche tummeln. Wo sie aber Raum erhielten, um sich zu entfalten, zeigten die Musiker all ihre Eleganz und Phrasierungskunst. (Daniel Ender, DER STANDARD, 19.1.2015)