• "In Österreich ist die Steuerquote zu hoch." Ein Preis, wie hoch er auch ist, kann nicht zu hoch sein, wenn nicht gleichzeitig gesagt wird, wofür. Der Staat erstellt Leistungen, meist öffentliche Güter. Das sind Güter, die kollektiv genutzt werden, weil sie dem Einzelnen nicht zugeordnet werden können, etwa Sicherheit. Es ist also nur die Aussage sinnvoll: Gemessen an der Qualität und Quantität dieser oder jener Leistung ist der Preis (die dafür aufgewendeten öffentlichen Mittel) zu hoch. Oder allgemein: Wir bekommen zu wenig für unser Geld. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist aber mit Sparappellen nicht zu verbessern, eher umgekehrt. Häufiger könnten es wenige zusätzliche Mittel deutlich verbessern.

  • "Durch Inflation gestiegene Steueraufkommen sind korrekturbedürftig." Steuern sind Preise - siehe oben. Steuern müssen genauso steigen, wie Waren teurer werden, wenn die Kosten steigen. Der Einwand, dass der Anstieg der Steuerleistung stärker ist als die Inflation, ist irreführend, da die Kostenpositionen des Staatshaushalts nicht dem Warenkorb entsprechen. Die öffentlichen Leistungen sind meist Dienstleistungen, die sich auch im privaten Sektor rascher verteuern. Das Gesetz der steigenden Staatsausgaben ist fast so alt wie die Ökonomie. Darüber hinaus fordern die Staatsbürger immer wieder zusätzliche Leistungen.

  • "Steuersenkungen können durch Ausgabenkürzungen finanziert werden." Es gibt keine Ausgabenkürzungen, die nicht mit einem Leistungsabbau einhergehen. Natürlich könnte der Staat in manchen Bereichen besser wirtschaften, aber darum ringt Österreich seit vielen Jahrzehnten mit geringem Erfolg. Einem punktuellen Einnahmenausfall mit sofortigen Rationalisierungen begegnen zu können ist nicht nur eine Illusion, sondern auch ein vernichtendes Urteil über die eigene politische Leistung. Das Bildungswesen beispielsweise hat ganz dringenden Reformbedarf, aber um diese sinnvoll angehen zu können, bräuchte es im Moment mehr Mittel!

    Das Aushungern von Institutionen - gegenwärtig im Militär, im Kulturbereich oder im Bildungswesen wahrzunehmen - hinterlässt bleibende Schäden und kostet langfristig mehr, als eingespart werden konnte.


  • "Die Menschen brauchen eine Entlastung." Es gibt von Jahr zu Jahr mehr Not und Armut, was erst kürzlich einem Rechnungshofbericht zu entnehmen war. Ihre Bekämpfung wäre ein ganz dringendes Anliegen. Allerdings sind die Betroffenen sehr wahrscheinlich nicht steuerpflichtig. Es sind immer bestimmte Menschen, denen man helfen sollte. Eine Steuersenkung ist nicht einmal Gießkannenpraktik, sie hat dort die größte Wirkung, wo sie sicher nicht gebraucht wird. Jede Entlastung, die gezielt erfolgen sollte, muss die Progression verstärken und nicht abflachen.

  • "Mehr Geld in den Taschen hilft der Wirtschaft." Geld, das vom Staat zu den privaten Haushalten verlagert wird, schwächt die Nachfrage. Der Staat gibt immer ein wenig mehr aus, als er einnimmt, man kann also davon ausgehen, dass der Steuerausfall zu 100 Prozent nachfragewirksam wird. Die Steuerersparnis fällt vor allem in gut verdienenden Haushalten an, wo die Sparquote relativ hoch ist. Alles, was gespart wird, verringert das Wachstum. Es ist richtig, dass die Mehrheit der Bürger knapp bei Kasse ist, aber das hängt mit der seit 30 Jahren sinkenden Lohnquote zusammen, also mit zu niedrigen Lohnsteigerungen. Man kann die Kaufkraft konjunkturwirksam nicht verbessern, indem man sie einem anderen Sektor wegnimmt. Ziel einer Steuerreform kann es nur sein, nachfrageunwirksames Finanzkapital in die Pflicht zu nehmen.

  • "Substanzbesteuerung ist für mich nicht vorstellbar." An so einer Aussage ist zunächst nichts Dummes, es ist einfach ein Standpunkt. Das Dumme ist nur, dass er nie begründet wird. Das kann man wohl auch nicht, weil es in der Mehrheit der EU-Staaten klaglos funktioniert. Aber natürlich! Das ist ja die Begründung! Die Steueroase Österreich lässt grüßen! Es hat ja Zeiten gegeben, in welchen man sich wenigstens Kapitalzufluss erhoffte, da mag ein Verzicht auf Steuern noch Sinn gemacht haben. Aber heute werden halbwegs erfolgversprechende Investitionsgelegenheiten dringend gesucht, jeder Hoffnungsfunke lässt ja schon eine Blase aufschwellen. Dem Staat wird Geld schon beinahe gratis angeboten, solange man der Rückzahlung noch einigermaßen sicher ist. Geldzufluss ist schon eher ein Risikofaktor!
    "Die Steuer muss gerechter gestaltet werden." Gerechtigkeit ist eine Sache, die jeder zur Unterstützung seines Standpunkts ins Treffen führt. Man sollte besser darauf verzichten. Besser wäre es, sich über ein Grundprinzip zu einigen, etwa: Die Kosten der öffentlichen Leistungen sollten nach der individuellen (finanziellen) Leistungsfähigkeit verteilt werden. Wenn also, wie man nachlesen kann, fünf Prozent der Haushalte fast die Hälfte des Vermögens in Österreich besitzen, dann sollten sie auch die Hälfte des Steueraufkommens tragen. Vermögen gibt die Leistungsfähigkeit viel besser an, weil laufende Einkommen sich ganz unterschiedlich über die Lebenszeit verteilen. Ein Sportler beispielsweise, der sehr gut verdient, muss sich in zehn oder fünfzehn Jahren den größten Teil seines Lebensunterhalts verdienen. Man müsste ihm gleichsam Rückstellungen zugestehen, die sein laufendes Einkommen verringern.

    Steuern haben aber auch Lenkungsaufgaben. Erwünschte Handlungen können steuerlich gefördert werden, unerwünschte belastet. Es ist nicht ungerecht, wenn Autofahrer einen größeren Beitrag zum Staatshaushalt leisten als Radfahrer, sondern die Aufforderung, weniger zu fahren.


  • "Der Staat soll sich aus der Wirtschaft möglichst heraushalten." Öffentliche Haushalte haben auch eine Stabilisierungsfunktion. Darunter ist eine Politik zu verstehen, die Fehlentwicklungen des Marktes korrigiert. Da es schon seit längerem ein Überangebot an Arbeitskräften gibt, sinkt die Lohnquote. Die Lohnentwicklung hält mit dem Wirtschaftswachstum nicht mit. Das bedeutet aber, dass nicht mehr alles verkauft werden kann, was produziert wird. Also exportieren!

    In dem einsetzenden Krieg um Märkte gibt es Stärkere und Schwächere. Aber im Euroraum gibt es keine Möglichkeit mehr, durch Wechselkursanpassungen wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Als man diese Möglichkeit abschaffte, ging man davon aus, dass sie die Lohnentwicklung ersetzen könnte. Das war aber nicht der Fall, kann es auch nicht sein, wenn der Exportweltmeister selbst Lohnzurückhaltung übt. Solange es keine EU-weite Regel gibt, dass Länder mit Außenhandelsüberschüssen Lohnsteigerungen mindestens im Ausmaß der Produktivitätssteigerung durchsetzen müssen, können wir das Marktergebnis nur durch Umverteilung korrigieren. Ohne eine Verschärfung der Umverteilung werden wir aus der gegenwärtigen Krise nicht mehr herauskommen!

    Das muss nicht im Steuersystem im engeren Sinn erfolgen. Viel wichtiger wäre beispielsweise ein progressiv gestalteter Krankenversicherungsbeitrag. Wenn wir keine Zweiklassenmedizin haben wollen, müssen wir umverteilen.

    Aber was geschieht? Man diskutiert über eine Erhöhung der Umsatzsteuer. Das ist, man kann es drehen und wenden, eine Umverteilung von unten nach oben! Wer sein Einkommen ausgibt, zahlt vom ganzen Einkommen Umsatzsteuer, wer die Hälfte spart, zahlt nur vom halben Einkommen Umsatzsteuer. Das machte noch Sinn, wenn es gilt, Sparen zu fördern. Aber die gegenwärtigen Zinssätze lassen nicht auf eine solche Absicht schließen. Sollte es zu einer solchen Lösung kommen, wären die Bezieher von Einkommen unter der Steuerschwelle die Einzigen, die nichts von der Steuerreform haben, aber wahrscheinlich zur Gegenfinanzierung beitragen müssen. Das Argument, eine Streichung von begünstigten Sätzen könnte gezielt erfolgen, riecht ein bisschen nach: Wer wenig verdient, ist ungebildet und kauft ohnehin kein Buch.

    Was in diesem Zusammenhang an Argumenten vorgebracht wird, lässt nur zwei Erklärungen zu: geradezu peinliche Dummheit oder nicht weniger peinliche Amoralität. (Norbert Geldner, DER STANDARD, 19.1.2015)