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Der Gitarrist Keith Richards hat seine Hände versichern lassen - vielleicht sollte er dies auch mit seiner Lunge tun.

Epa / Peter Foley

Wien - Für Flugversicherer war 2014 ein turbulentes Jahr, es gab so viele Unfälle mit Passagierflugzeugen wie schon lange nicht mehr. Airlines schließen neben der üblichen Kasko- und Haftpflichtversicherung auch Zusatzversicherungen gegen Terroranschläge und andere Angriffe ab. Katastrophen wie die Abstürze in Indonesien und Mali oder der Abschuss über der Ostukraine kosteten die Unternehmen hohe Summen.

Außergewöhnliche Risiken wie Terrorangriffe werden über Spezialversicherungen abgedeckt. Möchte man einen Offshore-Windpark gegen Naturkatastrophen oder sich selbst gegen Lösegeldforderungen oder den Verlust eines geliebten Körperteils absichern, reichen Standardformulare, wie bei einer Haushaltsversicherung üblich, nämlich nicht aus. Da muss jede Police individuell ausgehandelt werden. "Für Kfz-Versicherungen gibt es riesige Datenmengen, da kennt man das Unfallrisiko relativ genau", so der Versicherungsexperte Alexander Mürmann von der WU Wien.

Finger weg

Wie wahrscheinlich es ist, dass ein berühmter Klavierspieler seinen Finger verliert, sei hingegen schwierig zu berechnen. Profisportler etwa werden zu ganz unterschiedlichen Konditionen versichert. "Das kommt ganz auf die Sportart und die Person selbst an. Deswegen werden auch alle Profis vor Abschluss der Versicherung zum Gesundheitscheck geschickt", so Theodora Haumer vom Versicherungsberater Imak. Neben einzelnen Körperteilen kann man ganze Vereine versichern, auch gegen das Risiko, in eine niedrigere Liga abzusteigen. Solche Spezialversicherungen werden aber nur von wenigen Unternehmen angeboten.

Auf dem Versicherungsmarkt Lloyd's of London wird man bestimmt fündig. Hier hat Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards seine Hände versichert, Bruce Springsteen seine Stimme und Dolly Parton ihren Busen. Auch die Nase eines österreichischen Sommeliers habe man versichert, so Ralph Hofmann-Credner von Lloyd's Österreich.

Lloyd's ist jedoch kein klassisches Unternehmen, sondern eine internationale Versicherungsbörse. Im Hauptgebäude in London verhandeln Makler vor Ort mit unterschiedlichen Versicherungsanbietern und versuchen, das günstigste Angebot für ihre Kunden zu bekommen. Dort sitzen Vertreter von Unternehmen, die auch außerhalb der Börse agieren, wie Hiscox oder HCC.

Präsenzbörse

"Da herrscht ein ziemlich hoher Geräuschpegel, es sind ja mehrere hundert Menschen gleichzeitig im Raum", erzählt Jan Blumenthal, Lloyd' s-Country-Manager für Österreich. Lloyd's ist einer der letzten Präsenzmärkte für Versicherungen und mit Abstand der Größte seiner Art. Eine kleine Versicherungsbörse gibt es auch noch in Hamburg, diese hat aber nur noch an zwei Tagen die Woche für eineinhalb Stunden geöffnet.

Begonnen hat alles vor mehr als 300 Jahren im Kaffeehaus von Edward Lloyd im Osten Londons. Dort trafen sich im 17. Jahrhundert neben Kapitänen und Reedern auch mögliche Investoren. Die ersten Verhandlungen dürften sich laut Blumenthal in etwa so zugetragen haben: "Ich schicke morgen ein Schiff nach Westindien, gibt es hier Menschen, die sich an dem Risiko beteiligen wollen?"

Schiffsversicherungen

Schiffsversicherungen machten anfangs den Großteil der Geschäfte aus. So war etwa auch die Titanic über Lloyd's versichert. Ein Relikt aus dieser Zeit ist die "Lutine Bell". Mitte des 19. Jahrhunderts hatte man die Glocke aus einem Wrack geborgen und in die Verhandlungshalle von Lloyd's gehängt. Über hundert Jahre lang wurde sie geläutet, um die Verhandelnden auf Havarien aufmerksam zu machen: einmal, wenn ein Schiff verloren gegangen war, zweimal, wenn es wieder auftauchte.

Heute wird die Glocke so nicht mehr eingesetzt. Der Anteil an Schiffsversicherungen, die an der Börse abgeschlossen werden, liegt bei unter 20 Prozent. Dafür gibt es neuere Phänomene wie Haftpflichtversicherungen für Manager oder Cyberversicherungen gegen Hacker.

Auch die Kapitalstruktur des Unternehmens hat sich grundlegend geändert. Anfangs stellten fast ausschließlich vermögende Privatpersonen finanzielle Mittel bereit, aber "privates Risikokapital ist nicht mehr ausreichend für die Risiken unserer Zeit", so Blumenthal. Das wurde vor allem während der Lloyd's-Krise Anfang der 1990er-Jahre deutlich. Asbestose-Erkrankungen hatten in den USA innerhalb kürzester Zeit zu hohen Haftungsansprüchen geführt. Asbestose-Erkrankungen sind eine Folgeerscheinung nach dem Einatmen von Asbest.

Etwa zur gleichen Zeit, in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, kam es zu einer Reihe von Umweltkatastrophen sowie der Explosion der Ölplattform Piper Alpha in der Nordsee, bei der 167 Menschen starben. Lloyd's hatte große Probleme, die Versicherungen auszuzahlen. Auf so hohe Summen war man nämlich nicht vorbereitet gewesen. Die Gesellschaft stand kurz vor dem Kollaps. Viele Investoren mussten Privatvermögen nachschießen, und Lloyd's sah sich mit einer Reihe von Klagen konfrontiert. Seitdem hat die Traditionsgesellschaft einen größeren Risikopuffer, und finanzielle Mittel werden fast ausschließlich von großen Unternehmen bereitgestellt. (Sonja Spitzer, DER STANDARD, 16.1.2015)