Macht die Leute nass – aber nur im übertragenen Sinne: Ottfried Fischer, hier mit dem "Stammfisch".

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STANDARD: Warum heißt es jetzt "Ottis Aquarium“ – und nicht mehr "Ottis Schlachthof“?

Fischer: Im Schlachthof haben wir die Leute ab- oder angestochen, mit dem Messer. Heute machen wir sie nass.

STANDARD: Aber wieder nicht im wörtlichen Sinne, oder?

Fischer: "Mach mich nicht nass" im Sinne von: Bring mich nicht in eine kompromittierende Lage. Das hat nichts damit zu tun, dass wir jetzt mit einer Wasserpistole im Studio sitzen ... Wobei: das könnte man sich noch überlegen, wenn es denn einen komischen Gehalt hätte. Aber wir sind ja eine, zwar chaotische, aber doch sehr intellektuelle Sendung. Deswegen ist das eher ein sophisticated Nassmachen. Ich muss auch zu meiner Schande gestehen, ich weiß selber nicht so genau, wo das herkommt, wahrscheinlich aus dem Hanseatischen.

STANDARD: In Österreich ist der Ausdruck eher nicht so geläufig ...

Fischer: Der Karl Kraus hat ja gesagt, das unterscheidet Deutsche und Österreicher: die gemeinsame Sprache. Aber das Bayerische mögen sie, was an sich kein Wunder ist. Das Österreichische ist die Fortsetzung des Bayerischen, mit "schmierigen" Mitteln. Man muss mal darauf achten, wenn man zum Beispiel in Tirol Urlaub macht, und die so kleine Spiele machen, bei denen der Gast – an sich ja der König – mitmachen darf, dann scheuen die nicht davor zurück, den auch zu verletzen, und zwar handfest, ich habe das erlebt. "Drück mal da drauf" – und dann ist da ein Reißnagel. Da haben sie eine Freude daran, die Tiroler. Das ist auch eine Erklärung für die Art der Österreicher, über Sprache zu verletzen.

STANDARD: Sie haben schon die zweite Folge von "Ottis Aquarium" aufgezeichnet, wie zufrieden sind Sie damit?

Fischer: Das Konzept habe ich schon leicht geändert. Die Musik kann fetziger und unmittelbar vor dem Rausschmeißer sein, so dass man weiß: Da kommt noch was. Das wird die Auflösung von mir sein, wer gewonnen hat, wobei ich vermutlich nie jemand werde gewinnen lassen, weil das keinen Zweck hat, sich im Fernsehen im Kabarett auch noch gegenseitig in die Hacken zu klopfen. Wir wollen lieber wieder etwas verkaufen, was dem Kabarett nutzt, nämlich jemand relativ Bekannten neben jemand relativ Unbekannten stellen. Die Dornrosen zum Beispiel sind in Deutschland noch nicht so bekannt. Alt hilft Jung, Erfahren hilft Unerfahren, oder halt je nachdem, wer wem hilft. Andere unterstützen, dass sie sich leichter tun in ihrem Beruf.

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STANDARD: Warum war das im Schlachthof nicht mehr möglich?

Fischer: Die Redaktion hat nicht mehr dem vertraut, was ich zu leisten in der Lage bin als in Anführungszeichen erkrankter Mensch. Das hat angefangen mit der Beigabe eines Aufpassers, dem ich keinen Vorwurf mache. Auch dem Christian Springer (Moderator des neuen "Schlachthof“, Anm. d. Red.) nicht, das sind nach wie vor sehr gute Freunde, die sich sehr fair benommen und teilweise unter Schmerzen dieses Amt angetreten haben. Das ist okay, das muss weitergehen. Was mir gefallen hätte: Sie hätten mich mal fragen können –weil mit mir könnte man schon reden, nach 17 Jahren Bayerischer Rundfunk. Sie hätten mich fragen können, was ich davon halte, die Sendung so weiterzumachen wie bisher.

STANDARD: Wieso das?

Fischer: Weil diese Sendung eine Belangsendung des Kabaretts ist, und als solche braucht sie das Kabarett, muss man sie erhalten. Das ist sie im Moment nicht wirklich. Jetzt wird dort comedymäßig unterboten. Comedy ist die Blondine des Kabaretts. Und das bei diesem Sender, der sich von einem reaktionären Haufen zu einem Abspielsender kabarettistischer Größe gewandelt hat. Dass der so etwas plötzlich überhaupt nicht mehr macht, und mit "Dahoam is Dahoam" wieder ganz hinunterrutscht, das ist jammerschade.

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STANDARD: Sie haben gesagt, Pay-TV wäre an sich ein Abstieg – wie stehen Sie mittlerweile dem Medium Fernsehen gegenüber?

Fischer: Prinzipiell lasse ich mich wegen des Pay-TV nicht blöd anreden – weil auch beim Bayerischen Rundfunk nur Pay-TV ist, und man kann sich nicht einmal aussuchen, was ma kriegt. Ich habe im Fernsehen fast immer Sachen gemacht, die es meiner Meinung nach vorangebracht haben – bis auf wenige Ausnahmen, wo ich eher einen Käse gemacht habe. Bestechlichkeit durch schöne Drehorte, so was gibt es. Aber sonst: Das geht bei "Irgendwie und Sowieso" los und mit "Ein Bayer auf Rügen" weiter. Das war zwar nicht die optimale Serie in Sachen Dialog und Szene, aber von der Aufgabe her, der Ost-West-Thematik, war das eine der größten und wichtigsten Ideen des deutschsprachigen Fernsehens. Das muss man wirklich loben, dass sie das damals gemacht haben. Das hatte Versöhnungscharakter. Und es hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin, weil mir erlaubt wurde, Rollen so zu gestalten, wie ich es für richtig halte. Ich habe ja auch beim "Bullen von Tölz" meine Texte selber geschrieben. Das war meiner Ansicht nach ein moderner Heimatfilm, für den man sich nicht schämen muss.

STANDARD: Und wie sieht es heute aus?

Fischer: Das Ganze ist heute ziemlich vorbei. Alles, was heute gemacht wird, ist trashig, immer dabei, den alten Kult einzuholen. Sogar der Franz Xaver Bogner bemüht sich mit "München 7“, den alten Kult durch Zusammensetzen seiner Kultversatzstücke wiederzubeleben. Aber das funktioniert nicht so recht.

STANDARD: So schlecht ist die Serie ja auch wieder nicht ...

Fischer: Er ist immer noch der einäugige König unter den Blinden, natürlich. Aber Kult kann man nicht planen. Ich lasse auf den Bogner überhaupt nichts kommen, dem habe ich mein Leben zu verdanken. Das ist eine uralte Freundschaft, die kann so einseitig werden, wie sie will, bei mir wird die bestehen bleiben. Wenn Sie einen solchen Beruf als Sir Quickly (Fischers Rolle in "Irgendwie und Sowieso", Anm. d. Red.) beginnen: Das ist ja sensationell.

STANDARD: Sie erzählen, dass ein "kranker" Mensch in diesem Beruf ein Risiko darstellt, das man lieber nicht in Kauf nimmt. Ist das Fernsehen risikoscheuer geworden?

Fischer: Ein Format sich durchzusetzen trauen mit der nötigen Schärfe und Schlagkraft, das fällt auch unter Risiko. Wir hatten beim "Schlachthof“ von Anfang an, auch als ich noch voll und ganz gesund war, immer eine Notfallkassette daliegen, für den Fall, dass irgendwas passiert. Man hätte nicht wegen des Risikos die Sendung absetzen müssen. Aber man hat gesagt: Man macht lieber Nägel mit Köpfen, bevor einen das Risiko selber verfolgt.

STANDARD: Führt das dazu, dass nichts mehr herauskommt, was echtes Kultpotenzial hat?

Fischer: Gepaart mit Geldmangel. "Hubert und Staller" ist eine Ausnahme zum Beispiel. Die halte ich für die legitimen Nachfolger vom "Bullen von Tölz".

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STANDARD: Also doch kein Geldmangel?

Fischer: Das ist halt Eigenleistung, das wird nicht extra bezahlt. Mit dem Geldmangel habe ich gemeint: Das wird für etwas anderes ausgegeben. Schnelles Equipment, eine funktionierende Mannschaft. Und die Schauspieler, die werden möglichst kurz gehalten, auch in der Menge. Es werden nur die genommen, wo man weiß, die funktionieren. Die können ihren Text und sagen den auf, ohne Rücksicht auf Verluste. Darum knattert es ja so im ganzen deutschen Fernsehen, weil die alle nur noch so ... (macht brummende Motorengeräusche). Und ihnen die Einheitssätze wie Eiswürfel aus dem Maul fallen. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 17./18.1.2015; Langfassung)