Fred Luks leitet das Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit an der WU Wien. Sein Buch "Öko-Populismus" ist 2014 bei Metropolis erschienen.

Foto: Nick Albert

2014 ist Michael Glawogger, der mit Workingsman's Death ein filmisches Meisterwerk über Arbeit vorgelegt hat, verstorben. Wie riesig die Lücke ist, die er hinterlassen hat, zeigt auch der aktuelle Zustand des österreichischen Dokumentarfilms. Hubert Sauper, dem ebenfalls mal ein Meisterwerk (Darwin's Nightmare) gelungen ist, hat das Publikum jüngst mit We Come as Friends behelligt, in dem er über Afrika hinwegfliegt und simple Klischees bedient, dass es nur so kracht. Too Big to tell, mit dem sich Johanna Tschautscher an der Finanzkrise versucht, lädt nicht nur durch seine Betroffenheitsrhetorik zum Fremdschämen ein. Und Elisabeth Scharangs Kick Out Your Boss trägt leider nur wenig zum Verständnis postmoderner Arbeitswelten bei.

Diese traurige Liste weist über das Medium Film hinaus. In einer Zeit, die offenbar von einer großen Sehnsucht nach Orientierung, Stabilität und Einfachheit geprägt ist, kann sie auch als Indiz dafür dienen, dass man im Namen von Nachhaltigkeit und angeblicher Aufklärung dem Publikum alles Mögliche vorsetzen kann, solange nur hinreichend simple Botschaften geliefert werden.

Keine simplen Rezepte

In stürmischen Zeiten setzt nicht nur das Kino auf simple Rezepte: Populismus - zu dessen Kerneigenschaften das Versprechen einfacher "Lösungen" gehört - gibt es nicht nur auf der Leinwand, sondern auch in Politik, Institutionen, Medien und im Büro.

Und zwar nicht nur dann, wenn es um Migration geht. Nein: Auch wenn Themen wie Nachhaltigkeit und Verantwortung zur Diskussion stehen, sind populistische Heilsversprechen nicht weit. Der Ökonomie-Populismus des politischen Mainstreams verspricht Wohlstand und Arbeit durch "nachhaltiges Wachstum". Ökologie-Populismus verspricht Weltrettung durch verändertes Konsumverhalten. Gemeinwohl-Populismus verspricht Glück durch Abschaffung des Kapitalismus. Binnen-I-Populismus verkauft sprachpolizeiliche Vorschriften als unerlässliche Waffen im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit.

Qualität des Diskurses

Garniert werden derlei (Er-)Lösungsrezepte gerne mit inhaltsleerem Wortgeklingel. Plastikwörter und Bullshit-Bingo sind im Diskurs über Zukunftsfähigkeit, gelinde gesagt, weit verbreitet. Die Qualität des Diskurses muss also Anlass zur Sorge geben - gerade wenn man daran interessiert ist, dass Nachhaltigkeit in Politik und Wirtschaft und in Bildung und Beruf wirksam wird. Wenn ein CSR-Berater im Standard allen Ernstes äußert, Nachhaltigkeit sei mit unterschiedlichen Werthaltungen nicht vereinbar, ist das leider nur die Spitze des Eisbergs.

In einer endlichen Welt soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange auszubalancieren ist eine enorme Aufgabe. Dazu bedarf es aber keiner simplen zustimmungsfähigen Parolen, sondern der Einsicht, dass die Welt kompliziert ist. Es gilt, diese Herausforderung anzunehmen - zum Beispiel dadurch, dass man die Nachhaltigkeit nicht den Vereinfachern überlässt, sondern sie klug in die Bildung integriert. Die Befassung mit Nachhaltigkeit kann lehren, Kompliziertheit ernst zu nehmen und mit Paradoxien und Komplexitäten umzugehen. Zukunftsfähigkeit und Verantwortung rufen dazu auf, reflektiert zu handeln und zu unterlassen. Deshalb ist Nachhaltigkeitskompetenz auch karrierefördernd - und nicht, weil man mit ein bisschen CSR-Bullshit und halbverdauten Ethik-Statements besser durchs Vorstellungsgespräch kommt. (DER STANDARD, 17./18.1.2015)