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Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un mit Offizieren der Luftwaffe.

Foto: REUTERS/KCNA

Die Annäherung der USA an Kuba ist vor allem als längst überfälliges Eingeständnis aufzufassen: Die mehr als 50 Jahre währende Strategie der Amerikaner, den karibischen Inselstaat zu isolieren, ist endgültig gescheitert. Gegenüber Nordkorea fehlt diese Einsicht jedoch völlig – ganz im Gegenteil.

Erst Anfang des Jahres bekräftigte Barack Obama noch, infolge des Sony-Hacks weitere Sanktionen gegen das Kim-Regime zu verhängen, um die wenigen verbliebenen Verbindungen Nordkoreas zum internationalen Finanzmarkt zu kappen. Nur am Rande sei erwähnt, dass das FBI noch immer eindeutige Beweise seiner Behauptung schuldig geblieben ist, wohingegen die Liste an Skeptikern immer länger und länger wird.

Doch unabhängig vom Sony-Hack: Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea – ganz gleich wie "smart" und zielgerichtet sie sein mögen – können bestenfalls ineffizient und nutzlos sein, im schlimmsten Fall gar unmenschlich und kontraproduktiv.

Selbstverschuldete Zwickmühle

Um eines klarzustellen: Die Zwickmühle, in der sich Nordkorea befindet, ist zu großen Teilen selbstverschuldet. Korruption und Misswirtschaft haben das Land nachhaltig brachgelegt. Doch das befreit die internationale Gemeinschaft noch lange nicht von ihrer Verantwortung.

Misst man die Sanktionen anhand ihrer Ziele, so haben sie bisher einen – gelinde formuliert – bescheidenen Erfolg gebracht: Das Kim-Regime hat sein Atomprogramm noch immer nicht aufgegeben, und auch die zaghaften Verbesserungen der Menschenrechtssituation lassen sich nur schwerlich auf die Wirtschaftsembargos der US-Regierung zurückführen. Diese haben dafür jedoch auch NGOs bei ihrer Arbeit im Land gehindert sowie Geldüberweisungen an UN-Vertretungen und Botschaften erschwert und die Nahrungsmittelknappheit unter der Bevölkerung verschärft.

Antiamerikanismus wird verstärkt

Es wäre naiv, zu glauben, dass der nordkoreanische Staat kurz vor einem Kollaps steht. Längerfristig jedoch – das hat die Geschichte immer wieder gezeigt – werden die Wirtschaftssanktionen den Antiamerikanismus innerhalb der Bevölkerung nur noch verstärken. Gerade das Kim-Regime, das sich zu großen Teilen durch die vermeintliche Bedrohung von außen legitimiert, wird seine Opferkarte vorzüglich ausspielen können.

In einem aktuellen Kommentar des Ökonomen Kenneth Rogoff machte der Harvard-Professor unter anderem China mit dafür verantwortlich, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea nicht greifen würden. Aus Angst vor einem vereinten Korea würde das Reich der Mitte davor zurückschrecken, dem Kim-Regime die Unterstützung zu entziehen.

Tatsächlich ist China jedoch längst nicht mehr bereit, uneingeschränkt für den Energienachschub Nordkoreas aufzukommen. Dies hat auch zur Folge, dass Kim Jong-un seine Fühler derzeit anderweitig ausstreckt: nach Russland vor allem, aber auch nach Südostasien und sogar Europa. Der 32-jährige Diktator ist offenbar gewillt – oder sieht sich zumindest dazu gezwungen –, die Wirtschaft seines Landes nach chinesischem Vorbild zu öffnen.

Annäherungsversuche

Tatsächlich zeigte Pjöngjang in den letzten Wochen beachtliche Annäherungsversuche, die aber allesamt von der US-Regierung abgeschmettert wurden. Die Vorgehensweise der Amerikaner hat dabei weniger mit einer ausgeklügelten Strategie zu tun, sondern ist vor allem eine direkte Reaktion auf den innenpolitischen Druck. Die Befürworter der "Kollapstheorie", die behaupten, dass man das Regime stürzen könne, indem man durch gezielte Sanktionen innerhalb der immer anspruchsvolleren Elite des Landes Unzufriedenheit erzeuge, sind im Kongress noch immer stark vertreten, wohl stärker als dem Außenministerium lieb sein kann. Doch um kontroverse politische Debatten im Inland auszulösen, rangiert Nordkorea zu weit hinten auf Obamas Prioritätenliste. Viel bequemer ist es, die Hardliner im Land mit einer nutzlosen Symbolpolitik zufriedenzustellen.

Dabei herrscht unter dem Gros der Nordkorea-Forscher in einem Punkt breiter Konsens: Um das Regime nachhaltig zu verändern, sollte es nicht isoliert, sondern am Verhandlungstisch und durch gezielte Kooperationen geöffnet werden. (Fabian Kretschmer, derStandard.at, 16.1.2015)