Eine der Streifengänse in der Mongolei: Wer sie schon über dem Mount Everest gesehen hat, der hat womöglich in diesen Höhenlagen Probleme mit seiner Sinneswahrnehmung gehabt.

Foto: Nyambayar Batbayar

London/Wien - Streifengänse sind bekanntlich Überflieger: Als Zugvögel wechseln sie zwischen Brutplatz und einem Gebiet, wo sie die Winter überstehen können. Viele von ihnen müssen dabei den Himalaja überqueren, scheinen also zahlreiche Höhenmeter zurückzulegen. Wie schaffen das die Vögel?

Bekannt ist: Den Streifengänsen (Anser indicus) fällt die Atmung offenbar auch bei niedrigem Sauerstoff-Partialdruck, wie er in diesem Hochgebirge herrscht, deutlich leichter als anderen Vögeln und Säugetieren. Ihr Hämoglobin macht es möglich. Das heißt aber nicht, dass die Vögel ausschließlich in enormen Höhenlagen das Himalaja-Gebirge überqueren. Beobachtungen, wonach sie schon beim Überflug des Mount Everest gesichtet wurden, sind wissenschaftlich auch nicht bestätigt.

Die Streifengänse fliegen vielmehr genauso als würden sie Achterbahn in einem Vergnügungspark fahren, wie eine Gruppe von Wissenschaftern, geleitet von der britischen Bangor University, nun im Experiment nachweisen konnten. Das Team konnte auch klären, warum die Tiere das machen. Die Wissenschafter implantierten mehreren Gänsen Sender, um Daten über ihre Flugstrecke zu erhalten. So konnten sie nicht nur den Herzschlag messen. Temperatur und Druck am Bauch ließen Rückschlüsse auf die Höhenlage zu, die Daten über die Körperbewegungen der Tiere halfen dabei, die Frequenz des Flügelschlags zu erfassen.

Energie sparen

Die Streifengänse wurden beim Weg von ihren Brutplätzen in der Mongolei zu ihren Wintergebieten in Südost-Tibet oder Indien überwacht: Die Frequenz des Flügelschlags erhöht sich in höheren Lagen. Hier mühen sich die Vögel, durch die dünnere Luft zu kommen.

Ihr Herz schlägt deutlich schneller, und die metabolische Leistung erhöht sich exponentiell. In diesen Höhen zu verweilen, würde den Streifengänsen vermutlich zu viel Energie rauben, schreiben die Wissenschafter in ihrer im Fachmagazin "Science" publizierten Studie. Stattdessen ist es effizienter für die Vögel, wieder abwärts zu fliegen und durch den Aufwind an den Bergen wieder an Höhe zu gewinnen. Die neue Studie zeigte nicht nur, dass die Frequenz des Flügelschlags mit der Höhe steigt, sondern auch, dass sie sehr kontrolliert reguliert wurde.

Schon im Oktober 2012 haben Forscher der Bangor University nachgewiesen, dass die Streifengänse, die wegen zweier schwarzbrauner Streifen am Hinterkopf und im Nacken ihren Namen erhalten haben, durchaus in der Lage sind, die 8000er zu meiden. Die damalige, im Fachmagazin Proceedings B publizierte Studie zeigte, dass die Gänse fast immer unterhalb von 5500 Metern flogen. Nur äußert selten erreichten sie eine Höhe von 7290 Metern in Richtung Süden und 6540 Metern in Richtung Norden.

In den Proceedings lieferte das Team auch eine recht plausible Begründung für die Berichte über Streifengänse, die längere Zeit in großen Höhen fliegen sollen. Höhenluft würde das Urteilsvermögen der Beobachter beeinträchtigen. Da könne man seinen Augen nicht mehr trauen. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 16.1.2015)