Auch wenn sich die Geschäftsführerin des Wiener Café Prückel jetzt entschuldigt - rechtlich war der Hinauswurf der beiden küssenden Frauen gedeckt: In Österreich gilt derlei nicht als Diskriminierung.

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Wien - Menschen, die das Wiener Café Prückel anpeilen, werden Freitagnachmittag wohl einiges über Lesben- und Schwulenrechte erfahren. Denn direkt vor dem traditionsreichen Ringlokal werden dort auf einer Bühne Homosexuellen-Aktivisten, Politiker von SPÖ und Grünen sowie Künstler wie die Sängerin Christine Hödl gegen den Hinauswurf zweier Lesben aus dem Café protestieren.

Wie berichtet, hatte Prückel- Geschäftsführerin Christl Sedlar den Kuss der beiden als Kaffeehaus-inkompatibel empfunden. Am Donnerstag freilich ruderte sie zurück. "Meine Reaktion war überzogen, ich entschuldige mich in aller Form", ließ sie in einer Aussendung wissen.

FP: "Zungenpritschler"

Zu diesem Zeitpunkt hatten auf Facebook bereits über 7300 Personen zugesagt, an der als "Küssen im Prückel" angekündigten Kundgebung teilzunehmen. Auf der politisch entgegengesetzten Seite empörte sich der Planungssprecher der FPÖ Wien, Toni Mahdalik, gegen die geplante Solidaritätsaktion für einen, wie er vermeinte, "soliden Zungenpritschler".

Die Absichten der Kundgebungsorganisatoren jedoch gehen über die Kussfrage hinaus. Es gelte, politischen Druck aufzubauen, sodass "das Gleichbehandlungsgesetz endlich im Sinne von Lesben und Schwulen novelliert wird", sagt Anastasia Lopez von der Achse Kritischer Schülerinnen; sie ist eine der beiden vom Hinauswurf betroffenen Frauen. Probleme für küssende Lesben und Schwule gab es im Prückel nicht zum ersten Mal, wie eine derStandard.at-Ansichtssache aus 2005 zeigt.

Geringer Schutz

Besagtes Gesetz schützt Homosexuelle nur im Arbeitsbereich vor Diskriminierung. Nicht so bei Dienstleistungen, also etwa als Kaffeehauskunden, wo hingegen die Benachteiligung von Frauen und Migranten schon länger geahndet wird.

2011 und 2013 schien eine Gleichbehandlungsnovelle im Sinne von Lesben und Schwulen knapp vor dem Parlamentsbeschluss zu stehen; Ministerrat und Sozialpartner hatten ihr Okay gegeben. Beide Male scheiterte sie an Widerstand im Klub der ÖVP.

Hundstorfer: "Diesmal wird es klappen"

Nun startet Koalitionspartner SPÖ einen weiteren Änderungsanlauf. "Im März bringen wir die Gleichbehandlungsnovelle erneut im Ministerrat ein. Diesmal wird es klappen", heißt es aus dem Büro von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). Im Büro von Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) ist man weniger überzeugt: "Die Widerstände gegen die Novelle müssen ernst genommen werden", sagt dort ein Sprecher.

Homosexuellen-Aktivisten sehen unterdessen auch anderswo Handlungsbedarf. Nach der Zulassung von Lesben und Schwulen zur Fremdkindadoption durch den Verfassungsgerichtshof am Mittwoch müsse jetzt "die Öffnung der Ehe kommen", sagt Anwalt Helmut Graupner, der die Klage führte. Andernfalls werde in Österreich eine anachronistische Situation einzementiert. (Irene Brickner, DER STANDARD, 16.1.2015)