Wien - Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) geht deutlich auf Distanz zum Wiener König-Abdullah-Zentrum für Internationalen Dialog. Er will eine rasche Prüfung, um noch vor dem Sommer eine Entscheidung über eine Kündigung der entsprechenden Abkommen zu treffen. Das Zentrum komme seinen vertraglich festgelegten Aufgaben nicht nach, lautet die Einschätzung im Kanzleramt.

Anlass für die Kritik ist die Weigerung des Zentrums, die Auspeitschungen des Bloggers Raif Badawi in Saudi-Arabien zu verurteilen, der sich für die Gleichwertigkeit von Muslimen, Juden, Christen, Atheisten einsetzt. Peter Kaiser, Kommunikationsmanager des Abdullah-Zentrums, hatte dazu im STANDARD am Dienstag erklärt: "Das Zentrum ist nicht qualifiziert, innerstaatliche wie juristische Entscheidungen souveräner Staaten zu kommentieren. Dafür haben wir kein Mandat."

Widerspruch zu Aufgaben des Zentrums

Mit der Weigerung, über diese Menschenrechtsverletzungen zu sprechen, widerspreche das Zentrum seinen vertraglich festgelegten Aufgaben wie Stärkung des Dialogs zwischen den Weltreligionen, hieß es am Donnerstag aus dem Kanzleramt. Faymann gehe "deutlich auf Distanz" zu dem Zentrum, sagte eine Sprecherin.

Prüfung der Ausstiegszenarien

Der SPÖ-Chef will nun die Ausstiegsmöglichkeiten Österreichs aus den entsprechenden Verträgen rascher prüfen lassen, wie er auch mehreren Tageszeitungen erklärte. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Dienstag noch darauf verwiesen, dass die Arbeit des Zentrums im Sommer bewertet werden solle. Im Kanzleramt will man nun den Ausstieg aus dem Gründungsabkommen prüfen, das zwischen Österreich, Spanien und Saudi-Arabien abgeschlossen wurde.

Weiterbestehen könnte das Zentrum freilich auch nach einem Ausstieg Österreichs. Einseitig aufkündigen könnte die Republik das Amtssitzabkommen mit dem Zentrum, das diesem Privilegien internationaler Organisationen einräumt, etwa bei Steuerzahlungen.

Beschluss des Nationalrats nötig

Notwendig für die Aufkündigung der jeweiligen völkerrechtlichen Verträge wäre in jedem Fall ein Beschluss des Nationalrats. Außerdem bedarf es in beiden Fällen der Zustimmung des Bundespräsidenten. Diese Prüfung umfasse, anders als bei Gesetzesbeschlüssen, nicht nur das verfassungsgemäße Zustandekommen der Beschlüsse: Präsident Heinz Fischer hätte in diesen Fällen auch einen politischen Entscheidungsspielraum, wie es aus der Präsidentschaftskanzlei und dem Bundeskanzleramt hieß.

Glawischnig freut Distanzierung

Die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig zeigte sich am Donnerstag erfreut über die Distanzierung des Kanzlers. Das sei zu unterstützen. Der Beschluss eines Ausstiegs aus dem Vertrag sei spätestens im März-Plenum des Nationalrats möglich, sagte sie bei der grünen Klubklausur in Neusiedl am See.

Darabos zweifelt an Sinnhaftigkeit des Zentrums

"Äußerst skeptisch" bezüglich der "Sinnhaftigkeit" des Abdullah-Zentrums äußerte sich am Donnerstag SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos: "Während in Saudi-Arabien mit voller Härte und öffentlichen Auspeitschungen gegen einen Menschenrechtsaktivisten und Blogger vorgegangen wird, kommt den VertreterInnen des Abdullah-Zentrums kein Wort der Verurteilung über die Lippen. (...) Ein Zentrum, das sich offenbar nur im Titel mit dem Begriff 'Dialog' schmückt, in der Praxis aber jeden Dialog verweigert, stellt sich selbst infrage." Auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder plädierte dafür, die Evaluierung des Zentrums "in die nahe Zukunft" zu verlegen.

FPÖ kritisiert Bundespräsidenten

Scharfe Kritik am Bundespräsidenten übte unterdessen die FPÖ. "Es geht nicht an, dass Fischer permanent Realitätsverweigerung betreibt und Auspeitschungen toleriert, das muss doch auch für einen Agnostiker zu viel sein", erklärte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. Faymann und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) sollten "den uneinsichtigen Bundespräsidenten sofort zurückpfeifen, der sich gestern erneut gegen eine Schließung des Abdullah-Zentrums aussprach".

Kritik kam auch von der IG Autorinnen Autoren: Warum das Zentrum nicht geschlossen werden solle, erschließe sich nicht, hieß es in einer Aussendung. "Es ist am Ende eines dreijährigen Dialogs nämlich nicht einmal imstande, irgendetwas zu unternehmen oder zu vermitteln, um das barbarische Schauspiel in Saudi-Arabien zu beeinspruchen, geschweige denn zu beenden." (APA, 15.1.2015)