Kiew/Donezk - Angesichts der wiederaufflammenden Kämpfe in der Ostukraine hat das Parlament in Kiew eine weitere Truppenmobilisierung beschlossen. In drei Phasen sollen 2015 zehntausende Reservisten mobilisiert werden, wie aus dem Gesetzestext vom Donnerstag hervorgeht.

Sowohl der Nationale Sicherheitsrat der Ukraine als auch der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnten vor einer Eskalation des Konflikts. Unterdessen wurde der Opfer des Raketenangriffs auf einen Bus am Dienstag gedacht.

50.000 Soldaten werden eingezogen

In einer ersten am 20. Jänner beginnenden Phase zur Truppenmobilisierung sollen bereits rund 50.000 Soldaten eingezogen werden. Die beiden anderen Phasen sind für April und Juni geplant. Der Parlamentsbeschluss geht auf ein Dekret von Präsident Petro Poroschenko vom Vortag zurück. Der Staatschef hatte das Dekret mit der Notwendigkeit begründet, "angemessen auf die vom aggressiven Verhalten Russlands verursachten Bedrohungen zu reagieren".

"Die Ukraine bereitet sich auf den Krieg vor. Wir sind bereit, angemessen zu reagieren. Wir sind nicht schwach", erklärte der Präsident der selbsternannten "Volksrepublik Donezk", Alexander Sachartschenko, in einer Reaktion auf die Truppenmobilisierung.

Zwar hatten sich die Ukraine und die prorussischen Rebellen am 9. Dezember auf eine Feuerpause geeinigt, doch nimmt die Gewalt seit Tagen wieder zu. Nach ukrainischen Behördenangaben vom Donnerstag wurden in den 24 Stunden zuvor zwei Soldaten und zwei Zivilisten getötet. Erbitterte Kämpfe gab es am Donnerstag erneut am Flughafen von Donezk, wie Reporter berichteten.

Kampf um Flughafen

Während Sachartschenko erklärte, die Rebellen seien kurz davor, den Flughafen komplett einzunehmen, war nach ukrainischen Armeeangaben lediglich das alte Terminal in Rebellenhand. Das neue Terminal und der fast völlig zerstörte Kontrollturm seien unter Kontrolle der Armee. Ukraine Soldaten versammelten sich nahe des Flughafens, um mit den Rebellen auf offener Straße über ein Ende der Feindseligkeiten zu verhandeln.

Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Alexander Turtschinow, legte den Abgeordneten in Kiew am Donnerstag zwei Zukunftsszenarien vor: Das erste Szenario sei das "Wiederaufflammen der Gewalt in großem Ausmaß und ein Angriff unter Beteiligung der russischen Streitkräfte, wobei die Konsequenz ein kontinentaler Krieg in großem Stil" sein könnte. Das zweite Szenario seien "Versuche des Kreml, die Stabilisierung der Ukraine zu verhindern".

Auch Steinmeier warnte am Donnerstag, die Gefahr, die von diesem Konflikt "für ganz Europa" ausgehe, sei "noch längst nicht gebannt". Entschärfen lasse sich die Situation nur, wenn sich sowohl Russland als auch die Ukraine ernsthaft um einen dauerhaften Waffenstillstand bemühten, sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Beiden Seiten müsse klar sein, dass es keine militärische Lösung geben könne.

Nach Angaben Kasachstans soll nun Ende Jänner der geplante Gipfel zum Ukrainekonflikt mit den politischen Führern der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs in der kasachischen Hauptstadt Astana stattfinden. Darauf hätten sich Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew und Poroschenko am Donnerstag verständigt. Ein Kreml-Sprecher erklärte, ein Datum stehe noch nicht fest.

Unterdessen wurde mit einer Schweigeminute in der Ukraine der 13 Zivilisten gedacht, die am Dienstag bei einem Raketenangriff auf einen Linienbus in der Ostukraine getötet worden waren. Flaggen wehten auf Halbmast, die Rundfunksender verzichteten auf Unterhaltungsprogramme. Kiew und die Separatisten beschuldigen sich gegenseitig des Angriffs. (APA, 15.1.2015)