Elf Schüler sitzen in der Klasse. Manche haben gerade mit der Schule begonnen, andere sind kurz davor, in die Neue Mittelschule oder ins Gymnasium zu wechseln. Sie alle haben eine gemeinsame Lehrerin. In Österreich ist dieses Bild nicht selten. Vor allem wegen Landflucht und kleiner Bergtäler gibt es viele Kleinschulen in ländlichen Regionen. Deren Erhaltung ist teuer. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hätte deshalb gerne weniger davon.

Weniger Schüler

Laut einer Auswertung der Statistik Austria gab es im Schuljahr 2013/14 insgesamt 242 Volksschulen mit nur einer Klasse (siehe Grafik). Das sind acht Prozent aller Volksschulen in Österreich. Immerhin 16 Prozent haben nur zwei Klassen. Zudem werden die Schüler aufgrund sinkender Geburtenzahlen immer weniger. In den vergangenen zehn Jahren gab es bei der Zahl der Volksschüler einen Rückgang um zwölf Prozent. Die Statistik Austria prophezeit zudem, dass die Schülerzahlen noch mindestens in den nächsten drei Jahren zurückgehen werden.

Für die Mindestgröße von Schulen sind die Länder zuständig, der Bund gibt lediglich für die Klassengröße Richtwerte vor. Für Volksschulen liegt dieser bei 25 Schülern pro Klasse, eine Klasse sollten nicht weniger als zehn Schüler besuchen. Laut dem Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz sind zudem die Länder dafür verantwortlich, dass die Kinder einen "zumutbaren" Schulweg haben. Wie lange "zumutbar" ist, wird in jedem Bundesland anders gesehen.

Mindestgrößen für Schulen

Heinisch-Hosek regt im Gespräch mit derStandard.at deshalb an, österreichweite Mindestgrößen für Schulen anzustreben. Für Schulen im sekundären Bereich schlägt sie mindestens 300 Schüler vor. Für den Volksschulbereich will sich die Ministerin noch auf keine Zahl festlegen, erst müsse der Vorschlag mit den Ländern und dem Koalitionspartner koordiniert werden. "Natürlich muss man diese Mindestgrößen den regionalen Gegebenheiten anpassen", sagt sie. Die Schließung von Kleinschulen hat für die Unterrichtsministerin nicht nur finanzielle, sondern auch pädagogische Vorteile. "Umso größer die Schule, umso besser sind die Angebote."

Tatsächlich dürften hinter dem Vorschlag aber vor allem finanzielle Gründe stecken. Der Rechnungshof hat im Vorjahr in einem Bericht zu Schulstandortkonzepten in der Steiermark und Oberösterreich die hohen Kosten von Kleinschulen kritisiert und weitere Schließungen gefordert. Kleinschulen haben einen hohen Lehrerbedarf. Sie verbrauchen laut Rechnungshof mehr Ressourcen, als ihnen laut der Stellenplanrichtlinie, der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, zur Verfügung stünde.

Alle sind zuständig

Für die Schließung einer Schule sind im föderalen Österreich alle Gebietskörperschaften zuständig: die Gemeinden, der Landesschulrat als Behörde des Bundes und die Landesregierung. Der Rechnungshof sieht aufgrund dieser "zersplitterten Kompetenzlage im Schulwesen" dringenden Reformbedarf. Doch nicht nur deshalb ist die Auflassung von Schulen ein heikles Thema.

SPÖ-Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann hat im Jahr 2012 als steirische Landesrätin 36 Kleinschulen schließen lassen. "Wir mussten auf die Bevölkerungsströme reagieren", sagt Grossmann im Gespräch mit derStandard.at. Im Großraum Graz benötigten die Schulen aufgrund steigender Schülerzahlen und der gesenkten Klassenschülerhöchstzahl mehr Lehrer. In der Steiermark mussten die Schüler nach der Reform maximal 30 Minuten Schulweg auf sich nehmen, ein Prüfverfahren für die Schließung einer Schule wurde ab 20 Schülern eingeleitet. "Einige Schulen in entlegenen Tälern haben wir trotz geringer Schülerzahlen erhalten", sagt Grossmann.

Bürgermeister wehren sich

Karl Brandner, Bürgermeister von Kleinsölk, wehrte sich damals gegen die Schließung seiner Schule, die elf Schüler hatte. Gemeinsam mit rund 25 anderen Bürgermeistern gründete er eine Protestplattform. "Mit der Schule verliert die Gemeinde einen Teil ihrer Identität", erklärt er im Gespräch mit derStandard.at die Gründe für seinen damaligen Protest.

Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Kleinschule bringt dem Ort Identität, ist aber auch teuer.
Foto: apa/Schlager

Die Volksschulkinder waren ins Dorfleben integriert. "Es gab einen Schulgottesdienst, sie waren beim Erntedankfest dabei, bei der Erstkommunion. Das verliert der Ort."

Gebracht hat der Protest nichts. Heute fahren die Schüler seines Ortes ins sieben Kilometer entfernte Stein an der Enns. Das Schulgebäude in Kleinsölk steht noch immer leer. "Die Erhaltung kostet etwas, man muss heizen", sagt Brandner. "Wir wissen nicht, was wir damit tun sollen."

Leerstand auf dem Land

Genau darüber diskutiert die "Leerstandskonferenz" ab Donnerstag zwei Tage lang. Experten tauschen sich darüber aus, wie Leerstände in ländlichen Regionen, die von Stadtflucht betroffen sind, verhindert werden können. Einer der Organisatoren, Architekt Michael Zinner von der Kunstuniversität Linz, ist grundsätzlich gegen die Schließung von Kleinschulen. "Das ist ein öffentliches Sterben von Gemeinschaft", sagt er.

Die Auflassung von Schulen verursache mehr Verkehr in größere Ortschaften und sorge für die Entwurzelung der Kinder. Er schlägt vor, halb leer stehende Schulen mit anderen Einrichtungen zu kombinieren. Je nach den Gegebenheiten im Ort könne man etwa die Bibliothek oder auch eine Bäckerei in die Schule einziehen lassen.

Bürgermeister Brandner ist heute, nach der Schließung der Schule, positiv gestimmt. "Es funktioniert sehr gut", sagt er. Die Schüler des Ortes fahren gemeinsam im Bus in die Schule, ein Taxi holt sie zu Mittag ab. Entgegen seinen Befürchtungen habe das Leben im Ort dank des Engagements der Eltern nicht gelitten. "Sie organisieren einen Jugendchor, gerade hat es ein Adventsingen mit den Kindern gegeben." Traurig wird Brandner allerdings, wenn er hört, wie der gemeinsame Unterricht für Schüler unterschiedlichen Alters von Experten gelobt wird. "Wir hatten das und haben es abgeschafft." (Lisa Kogelnik, derStandard.at, 14.1.2015)