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Laut Generalanwalt beim EuGH darf die Europäische Zentralbank den Euro weiter retten.

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Wien/Luxemburg - Darf die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen von Griechenland, Spanien, Italien und Co aufkaufen oder stellt das eine in Europa verbotene Finanzierung von Staaten durch die Druckerpresse da? Über diese strittige Frage muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) derzeit entscheiden. Auf dem Spiel steht viel: Sollte Das Gericht das Kaufprogramm für illegal erklären, würde damit einer der wichtigsten, in den vergangenen Jahren errichteten Säulen zur Stabilisierung des Euro wegbrechen.

Soweit dürfte es aber nicht kommen. Am Mittwoch hat der Generalanwalt beim Gerichtshof, Cruz Villalón, seinen Schlussantrag in dem Rechtsstreit gestellt. Dieser Antrag ist für das Gericht, das nun seine Beratungen aufnimmt, zwar nicht bindend. Oft folgen die Richter allerdings den Empfehlungen des Generalanwaltes. Villalón argumentiert, dass der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Euro-Zentralbank nicht dem EU-Primärrecht widerspricht und keine verbotene Staatenfinanzierung darstellt.

Die EZB müsse bei der "Konzipierung und Durchführung der Währungspolitik der Europäischen Union über ein weites Ermessen verfügen", argumentiert Villalón. Dann folgt ein Satz, der wohl für besonders viel Wirbel sorgen wird: "Die Gerichte haben ihre Kontrolle der Tätigkeit der EZB mit einem erheblichen Maß an Zurückhaltung vorzunehmen, da ihnen die Spezialisierung und Erfahrung fehlen, die die EZB auf diesem Gebiet besitzt."

Ohne Limit

Worum es konkret geht: Im Sommer 2012 hat die EZB unter Präsident Mario Draghi die berühmte Erklärung abgegeben, wonach man alles unternehmen werde, um den Euro zu retten. Konkret erklärte Draghi, dass die EZB auch im großen Stil Staatsanleihen von Krisenländern wie Griechenland und Spanien kaufen werde. Das entsprechende Programm wurde unter dem Namen "OMT" oder "Outright Monetary Transactions" bekannt. Besonders heikel war, dass die Eurozentralbank sich bereit erklärte, Anleihen aus den Krisenländern ohne jede Begrenzung zu kaufen, sofern sich die Staaten nur zu einem Spar- und Reformkurs verpflichten. Mehrere Politiker, Professoren und Wirtschaftswissenschafter aus Deutschland haben beim Bundesverfassungsgericht in Deutschland Beschwerde gegen das Vorhaben der EZB erhoben. Das Verfassungsgericht selbst hat beim Gerichtshof der EU ein Vorabentscheidungsverfahren beantragt.

Zu klären waren besonders zwei Punkte: Erstens, ob das Programm der EZB in Wahrheit eine wirtschaftspolitische Maßnahme ist, mit klassischer Geldpolitik also nichts zu tun hat. Das käme einer illegalen Mandastüberschreitung der Notenbank gleich. Und eben ob der Kauf von Staatsanleihen eine laut dem EU-Primärrecht verbotene direkte Haushaltsfinanzierung darstellt.

Aus für die Troika

Zu ersten Frage führt der Generalanwalt aus, dass der Kauf von Staatsanleihen grundsätzlich als geldpolitische Maßnahme zur Unterstützung der Wirtschaftspolitik angesehen werden kann. Sprich: Die EZB überschreitet ihr Mandat nicht. Eine wesentliche Einschränkung soll es aber geben. Damit die EZB die Grenzen zur Wirtschaftspolitik nicht überschreitet, muss sich die Zentralbank "jeder direkten Beteiligung an dem für den betroffenen Staat geltenden Finanzhilfeprogramm enthalten." Bisher war die EZB in die Hilfsprogramme für Griechenland, Portugal zumindest politisch im Rahmen der Troika tief involviert.

Die Maßnahme der EZB müsse jedenfalls "verhältnismäßig" sein, die Zentralbank dürfe also keine unangemessenen Risiken in ihre Bilanz nehmen. Das große Problem mit den Anleihenkäufen ist ja, dass eine Staatspleite der Krisenländer in Südeuropa nicht ausgeschlossen werden kann. Würde die EZB im großen Stil griechische, portugiesische Papiere kaufen, würde sie eine Pleite dieser Länder finanziell treffen (ob das für eine Zentralbank überhaupt ein Problem ist, steht wieder auf einem anderen Blatt). Nichts deute aber darauf hin, dass die EZB bereit ist, unverhältnismäßige Risken einzugehen, schreibt der Generalanwalt.

Keine Staatenfinanzierung

Den Kauf von Staatsanleihen sieht der Generalanwalt auch nicht als verbotene direkte Haushaltsfinanzierung an. Denn die EZB wolle ja nur am Sekundärmarkt zukaufen, wo bereits ausgegebene Staatsanleihen gehandelt werden. Die Notenbank kauft also von Investoren und nicht von Regierungen. Allerdings müsse die Zentralbank dafür sorgen, dass sich trotz ihres Kaufprogrammes ein "Marktpreis" für die Anleihen bildet.

Diese Passage interpretiert Peter Brezinschek, Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International, so: Die EZB darf zukaufen und die Preise beeinflussen, wenn auch andere Marktteilnehmer aktiv sind. Die EZB darf aber nicht aktiv werden, wenn gar keine Umsätze mit den Krisenanleihen gemacht werden. Denkbar wäre der Fall, dass alle Investoren griechische Papiere nur verkaufen wollen, es aber keine Käufer gibt.

Die Meinung des Generalanwaltes war in Expertenkreisen mit Spannung erwartet worden. Das OMT-Programm wurde bisher zwar nie aktiviert. Bereits die Ankündigung Draghis Staatsanleihen kaufen zu wollen, hat für eine Beruhigung im Jahr 2012 gesorgt. Doch kommende Woche wird das Thema wieder aktuell. Erwartet wird, dass die EZB ein groß angelegtes Programm startet, bei dem sie unter anderem beginnt, Staatsanleihen von Euroländern zu kaufen. Damit will sie vor allem die langfristigen Zinsen in Europa drücken um die Wirtschaft und die Inflation anzukurbeln. Zuletzt ist das Preisniveau in Europa gefallen. Die deutsche Bundesbank lehnt den Plan der EZB ab. Sie fürchtet neben möglichen Verlusten aus solchen Geschäften auch, dass die Maßnahmen wirkungslos sein werden. (András Szigetvari, derStandard.at, 14.1.2015)