Ausgebucht - so präsentiert sich das wiederbelebte Weydner Dorfwirtshaus im Marchfeld. Und zwar dauernd.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Mächtige Portion: Hirschrückensteaks mit Pastinakenpüree und roten Rüben

Foto: Gerhard Wasserbauer

Da wird seit Jahr und Tag über das Wirtshaussterben geraunzt und - nicht zu Unrecht - die gastronomische Verkommenheit auf dem flachen Land gegeißelt. Und dann kommt ein Biobauer und Dorfbürgermeister in der (nicht bloß) kulinarisch gottverlassensten Ecke des Landes, renoviert ein seit Jahren geschlossenes Wirtshaus in seiner Gemeinde, stellt einen halbwegs ordentlichen Koch ein - und ist seitdem so gut wie ausgebucht.

Man kann schon etwas lernen, wenn man sich der trostlosen Weite des Marchfelds aussetzt, dieser von landwirtschaftlicher Industrie und Schottergruben zerschundenen Ebene nordöstlich von Wien. Zum Beispiel, dass die Baumärkte hier ausschließlich markerschütternd schreiende Fassadenfarben verkaufen, anders lässt sich diese Dichte an Eigenheimen in grellen Currytönen nämlich kaum erklären.

Aber auch, dass gar nicht so viel dazugehört, um seinem Dorf eine neue Mitte und einen Anker zu geben. Franz Neduchal heißt der Mann, der dies gemeinsam mit seiner aus der Bodenseegegend gebürtigen Frau Isabel für sein Dorf Weiden gemacht hat. Das arg zerlepperte Wirtshaus wurde mit neuen Holzböden und hübschen Zementfliesen ausgestattet, auch sonst musste von Lüftung bis Küche viel ersetzt werden - bis auf die alten Stühle und Tische ist so gut wie alles neu. Jetzt steht es seit bald einem Jahr schmuck da.

Gemüse kommt zum größten Teil aus der eigenen Landwirtschaft, Wild von der Gemeindejagd, Fleisch von lokalen Fleischhauern. An der Schank wird gepofelt und Schmäh geführt, weiter hinten finden geburtstagfeiernde Seniorenrunden ebenso Platz wie die zufrieden und wortkarg vor sich hin mampfende Großfamilie oder die zechende Dorfjugend.

Mächtige Portionen

In der Küche gibt, wie sollte es anders sein, der Schnitzelklopfer den Ton an. Dabei kann die Karte auch ganz anders. Eine samtige Maronisuppe mit saftig gebratenem Wildbutterschnitzel als Einlage etwa - um 3,90 Euro so viel und gut, dass man sich schon Sorgen um den Hauptspeishunger macht. Und nicht zu Unrecht, die Portionsgrößen hier sind, wie es sich auf dem Land gehört, gewaltig.

Drei dicke Schnitten vom Schweinsfilet werden mit Speck und Salbei zu knuspriger, saftstrotzender Saltimbocca verbraten, dazu gibt es richtig guten Parmesanreis. Rote-Rüben-Risotto wird ausnahmsweise nicht als Obersorgie interpretiert, sondern gerät bissfest, puristisch tiefrot, richtig köstlich - dass es dazu neben Nusspesto und knackig frischem Algensalat ein böses Lachsfilet gibt, ist wohl dem Publikumsgeschmack geschuldet. Viel besser: die mächtige, aus zwei dicken Steaks bestehende Portion Hirschrücken mit Pastinakenpüree und roten Rüben (siehe Bild).

Nachspeisen sind an so einem Ort von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit, der Griesflammeri mit Sauerkirschen löst diese Erwartung ebenso ein wie die herrlich altmodische und mit ordentlich Strohrum angeheiterte Stricknadeltorte.

Das Weydner Wirtshaus ist ein guter Ort, um sich das Marchfeld schönzuessen - für prospektive Dorfwirte darf es als Schulbeispiel herhalten. Danke dafür! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 16.1.2015)