Durch das immer stärkere Zusammenwachsen von Automobil, Internet und Mobiltelefonie ist der gläserne Mensch keine Fiktion mehr, sondern Realität.

Foto: obs/Volvo Car Group

Wien - Wer heute ein Auto besteigt, kann damit von A nach B fahren. Oder kann sich fahren lassen, ohne Chauffeur und ohne selbst das Gaspedal zu berühren oder das Lenkrad zu betätigen. Das freilich geht momentan erst in begrenztem Umfang innerhalb klar definierter Grenzen, nämlich dort, wo die Straßen mittels Elektronik "intelligent" gemacht worden sind. Die Entwicklung schreitet in Riesenschritten voran, schafft neue Geschäftsfelder, setzt eine Milliardenmaschine in Bewegung, macht aber vielen Menschen Angst.

Misstrauen und Angst gibt es aber bereits jetzt, im Zeitalter des Web 2.0. Durch das immer stärkere Zusammenwachsen von Automobil, Internet und Mobiltelefonie ist der gläserne Mensch keine Fiktion mehr, sondern bereits Realität. Zumindest was das Autofahren betrifft, hat ein österreichisches Startup namens AMV (steht für Anonymous Management of Vehicle) eine Lösung bei der Hand. Sie besteht aus einem Kästchen, das hinterm Rückspiegel montiert wird. Dort laufen alle vom Fahrzeug produzierten Daten zusammen. Diese werden aber nicht automatisch, sondern nur auf Wunsch des Fahrzeughalters gespeichert.

"Wenn der Kunde sagt, er will nur den Kilometerstand haben, holen wir nur den heraus. Wenn er sagt, mich interessiert die GPS-Position ebenfalls, machen wir auch das," sagte Raimund Wagner, Geschäftsführer von AMV Networks, dem STANDARD. Wagner war ein Vierteljahrhundert in unterschiedlichen Managementpositionen bei der Porsche Holding tätig, ab 2005 in der Geschäftsleitung der Audio Mobil Elektronik GmbH. Im Sommer 2010 schließlich wurde die AMV Networks GmbH als Spin-Off der Audio Mobil gegründet. Seit diesem Zeitpunkt ist er auch CEO der AMV Networks GmbH mit Sitz in Ranshofen, Oberösterreich.

Weltweit höchster zertifizierbarer Datenschutzstandard

"AMV ist derzeit das erste und einzige Telematiksystem in der Automobilindustrie, das den weltweit höchsten zertifizierbaren Datenschutzstandard erfüllt und das offizielle europäische Datenschutzsiegel mit dem European Privacy Seal erhalten hat," sagte Wagner. "Das macht uns schon ein bisschen Stolz."

Ein "Glücksfall" für ihn und sein Unternehmen sei jedenfalls das Auftauchen von Edward Snowden gewesen, des US-Whistleblowers, dessen Enthüllungen tiefe Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten gaben. Ab dem Moment sei die Automobilindustrie total verunsichert gewesen. "Der Höhepunkt war, als VW-Chef Martin Winterkorn zur Eröffnung der Computermesse Cebit im vergangenen Frühjahr davon gesprochen hat, dass das Auto nicht nur Datenkrake werden darf. Damit war der Weg für uns geebnet," sagte Wagner.

Das Anonymitätskonzept wurde als Patent angemeldet. Die Daten werden über das GSM-Netz mit einem speziellen Sim-Chip herausgeholt. Der Kunde kann mit einem persönlichen Passwort und einer PIN einem Dienstleister, etwa einer Leasingbank, die Genehmigung geben, den Kilometerstand abzufragen. Die Daten, die aus dem Fahrzeug geholt werden können, ermöglichen eine schier unbegrenzte Zahl an neuen Anwendungen, die, sofern der jeweilige Fahrzeughalter das will, sein Leben erleichtern können. Die österreichische Porsche Holding nutzt derzeit in 100 Fahrzeugen das AMV-System. "Es gibt keine Exklusivität, nur eine natürliche Markteintrittszeit, die durch das IT-System bestimmt wird," sagte Wagner. Er schätzt den Vorsprung auf eineinhalb Jahre und sucht nun ein strategischen Partner, der mithelfen kann, die weltweite Marktausrollung voranzutreiben.

Ende 2012 ist bei AMV der Oberbank Opportunity Fonds mit 20 Prozent eingestiegen, 80 Prozent hält Audiomobil, deren Hauptgesellschafter Starleim und Sterner in Marchtrenk ist, Weltmarktführer im Flüssigsilikonbereich. (STANDARD, 14.1.2014)