Straßburg - Nach mehr als einem Jahrzehnt des Streits zwischen den EU-Mitgliedstaaten einerseits und den Fraktionen im Europäischen Parlament andererseits um Zulassung und Anbau gentechnikveränderter Pflanzen wurde Dienstag ein gesetzlicher Kompromiss erzielt, den Befürworter und Kritiker der Gentechnik mit großer Mehrheit mittrugen.

Das Plenum des EU-Parlaments stimmte in Straßburg für eine Novelle der 2001 erstmals formulierten EU-Richtlinie zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO). 480 Abgeordnete votierten mit Ja, fast geschlossen jene von EVP, S&D, Liberalen, 159 sagten Nein, insbesondere jene der Linksfraktion, der Grünen und der EU-Skeptiker und Rechten. Die österreichischen EU-Abgeordneten stimmten alle für die Novelle, auch die drei Grünen. Die vier FPÖ-Abgeordneten enthielten sich der Stimme.

Der Kern der neuen Regelung, für die sich unter 19 (kleineren) von insgesamt 28 Mitgliedsstaaten vor allem Österreich starkgemacht hatte: Die Nationalstaaten haben nun das verbriefte gemeinschaftliche Recht, solche GVO-Produkte auf ihrem Territorium (oder auch nur Teilen davon) zu verbieten, auch wenn diese eine EU-weite Zulassung durch die EU-Kommission gemäß den Binnenmarktregeln bekommen haben. Bisher war dies ein Graubereich. Österreich hat (wie zum Beispiel auch Deutschland) zuletzt ein nationales Verbot bei einer Genmaissorte von Pioneer im Jahr 2014 erlassen, musste aber eine Aufhebung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) befürchten.

Die neue Richtlinie ist der Versuch, hier Klarheit zu schaffen. Für Anbauverbote müssen aber gute Gründe geltend gemacht werden. Welcher Art diese Verbote sein können, ist in einem Punktekatalog festgelegt. Es können dies umweltpolitische, umweltbezogene Gründe sein, sofern sie nicht von der europäischen Nahrungsmittelaufsichtsbehörde EFSA bereits erwogen wurden.

Kritik der Grünen

Es können aber auch Gründe der Stadt- und Raumplanung sein, die GVOs ausschließen, ebenso der Landnutzung, agrarpolitische Gründe, ebenso gelten sozio-ökonomische Folgen und die ungewollte Verbreitung von GVO-Produkten in andere Produkte als Verbotsgrund. Grüne Politiker kritisieren, dass dieser Katalog sehr allgemein gehalten sei, es sei davon auszugehen, dass der EuGH bestimmte nationale Regelungen dennoch aufheben könnte.

Denn dass Anbieter und Konzerne von gentechnisch veränderten Produkten weiterhin alle rechtlichen Möglichkeiten haben, ihre Anbauwünsche nach einer Genehmigung auf EU-Ebene durchzusetzen, ist ebenso klar. Die Richtlinie kann auch so gelesen werden, dass sie die Zulassungsverfahren nicht nur transparenter macht und Rechtssicherheit schafft, sondern auch der Beschleunigung dient. Seit Ende der 1990er-Jahre, als die Firma Monsanto den bt-Genmais zur Zulassung anmeldete, sind erst zwei GVOs zugelassen worden, zuletzt das Produkt 1504 von Pioneer.

Um Letzteres kam es zu einem harten Ringen der Staaten, zu Blockaden im Ministerrat. Die Kommission verzögerte das Verfahren so lange, bis es vom EuGH nach einer Klage gezwungen wurde, mit der "Verschleppung" aufzuhören. Da die EU-Mitgliedsstaaten nun nationale Ausnahmeregelungen haben, ist ihnen das Argument genommen, auf EU-Ebene GVO-Produkte endlos zu blockieren. Staaten wie Großbritannien, die den Anbau von gentechnikveränderten Pflanzen fördern, können sich bestätigt fühlen.

In Kraft treten soll die erneuerte Richtlinie nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Union, vermutlich schon im März. Bei geplanten Verboten können Staaten sich mit den Antragstellern auf Zulassung, den Konzernen, auch direkt einigen. Gelingt dies nicht, läuft das Verfahren über die Kommission. Noch ungeklärt ist, wie es mit Haftungsfragen aussieht. Das soll binnen zwei Jahren ausgearbeitet werden. (tom, DER STANDARD, 14.1.2015)