Ist es Blasphemie zu behaupten, dass Gott tot ist? Oder in den letzten Zuckungen liegt? Für manche Menschen auf dieser Welt durchaus. Berührt es doch den Kernsatz ihres Glaubenssystems, egal welcher monotheistischen Religion sie angehören. Dass Nietzsche-Zitierer in Österreich nicht wegen "Herabwürdigung religiöser Lehren" von Tiefgläubigen vor Gericht gezerrt werden, liegt wohl weniger an ihrer Toleranz als an der realistischen Einschätzung der Erfolgschancen.

Denn die Wahrheit ist, wie ein anderer kluger Kopf (Aulus Gellius, nicht Andreas Khol) sagte, eine Tochter der Zeit. Was selbst in Mitteleuropa vor 70 Jahren noch bestraft worden wäre, lässt heutige Staatsanwälte oder Staatsanwältinnen nur noch mit den Schultern zucken.

Und selbst wenn es zu einer Anklage kommt, entscheidet am Ende das Gericht. Die Folge: Im Jahr 2013 gab es exakt eine Verurteilung im Zusammenhang mit den dezidierten Religionsparagrafen.

Dabei ist das Anliegen durchaus verständlich. Denn es muss wehtun, seinen tiefsten Lebensinhalt verspottet zu bekommen, man will sich wehren können.

Doch genau daher ist es vernünftiger, vermutete Verächtlichmachung religiöser Gefühle rechtlich gleich woanders unterzubringen. Sei es in den Paragrafen für Beleidigung, sei es Verhetzung. Denn wie man sieht: Nicht nur Gott ist tot, sondern auch das ihn betreffende Recht. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 13.1.2015)