"Tristan und Isolde" in Wien.

Foto: Wiener Staatsoper

Wien - Mit den Neuinszenierungen hatte die Wiener Staatsoper in der aktuellen Saison eher wenig Glück, denkt man etwa an Mussorgskis szenisch monotone Chowanschtschina oder Verdis Rigoletto, bei dessen Premiere plötzlich der Interpret der Titelpartie abhanden kam. Im Repertoire - mit etwa 50 verschiedenen Opern pro Saison so umfangreich wie in keinem anderen Haus - ist die Staatsoper aber oft eine Macht. So konnte man jetzt eine Aufführung von Wagners Tristan und Isolde mit einem erstklassigen Dirigenten, fulminanten Sängern und einem großartigen Orchester genießen, für die man sich erst einmal in aller Form zu bedanken hat.

Peter Schneider machte das im Orchestergraben einfach fantastisch. Der 75-jährige Wiener, der in Bayreuth in 20 Spielzeiten 142 Wagner-Aufführungen geleitet hat, hielt die Dinge in stetem Fluss, bot eine unerhört nuancierte und doch grundsätzlich von juvenilem, körperlichem Sehnen und Drängen erfüllte Interpretation, die sich mithilfe des agilen, glänzend musizierenden Staatsopernorchesters oft zu satter Wucht steigerte. Bei aller Thieleman(n)ie, der man sich auf diesem Repertoirefeld gerne hingibt: Packender, besser geht's kaum.

Von beeindruckender Souveränität auch die Interpreten der Titelpartien: Peter Seiffert als Tristan und Iréne Theorin als Isolde. Letztere gab bei ihrem Rollendebüt am Haus eine kämpferische, stolze, energiegeladene Königstochter: kein hehres Symbol für die absolute Liebe, sondern eine ganz reale Frau, die mit allen Sinnen begehrt. Ihr üppiger, tragfester, dramatischer Sopran entglitt ihr nur ganz selten bei Spitzentönen in ein schärferes Timbre; im dritten Aufzug setzte die Schwedin ganz auf Understatement und bot wundervolle Pianissimi.

Im Finale hatte Seiffert ordentlich zu rackern und trotzte dem Todeskampf mit kraftvoller Kantabilität. Im zweiten Aufzug leistete sich der Wagner-Spezialist parallel zu den Liebesschwüren und intensiven Kussszenen mit Theorin einen intensiven Flirt mit dem Maestro suggeritore im Souffleurkasten, Mario Pasquariello; im ersten beeindruckte Seiffert mit darstellerischer Genauigkeit.

In der grosso modo tauglichen, stimmungsvollen Inszenierung von David McVicar gab Michelle Breedt die Brangäne mit gediegener, gewählter Gouvernantenhaftigkeit und weichem, hellem, nicht allzu großem Mezzo; manchmal wurde der Südafrikanerin ein "das" zu einem "dos". Ein ganzer Kerl war Tomasz Koniecznys Kurwenal (Rollendebüt): kraftvoll und kämpferisch, von zupackender Vitalität. Albert Dohmen gab einen noblen, etwas müden König Marke, der ebenfalls von Pasquariellos Koordinationskünsten profitierte; unauffällig Gabriel Bermúdez als Melot. Riesenfreude allüberall und großer Applaus. (Stefan Ender, DER STANDARD, 13.1.2015)