Medienkünstler Peter Weibel spielte im Rahmen seiner Personale "Peter Weibel - Medienrebell" im Wiener 21er-Haus wieder einmal als Musiker mit dem Hotel Morphila Orchester auf: "Stromtod!"


Foto: Heribert Corn

Wien - Manchmal redet Peter Weibel so, wie man es bei den Pfadfindern beim Knotenmachen gelernt hat: Die Schlange kommt aus dem See, kriecht um den Baum und verschwindet wieder im See. Kurvenreiche Strecke, viel zu sehen in kurzer Zeit. Im Wasser herrschen andere Bedingungen als an Land. Statt Schlange, See und Baum setzt man postanthropisches Zeitalter, Simulation, neueste Erkenntnisse der experimentellen Physik oder Mechatronik oder ZNS, DNA und ZKM - und schaltet auf Warp-Geschwindigkeit. Peter Weibel überholt sich im Kurvenausgang nach dem Baum gern selbst.

Für einen Prediger mit Musikbegleitung sind das mit allem zusätzlichen Stammeln, Haspeln und worttrunkenen Auszucken ideale Voraussetzungen. In den ausgehenden 1970er-Jahren, als das graue Wien damals zumindest im Bereich der Kreativen begann, von Ostblock-Einöde mit Hippie-Einsprengseln und den kiffenden und schimpfenden Hausmeistern des Austropop auf schwarzes Neonlicht und Punkerhärte umzulernen, begann der damals nicht mehr ganz junge Medienkünstler Peter Weibel mit dem Hotel Morphila Orchester primitivistische Rockmusik zu machen. Der repetitiven und drängenden Anmutung von harter Gitarrenmusik, die sich künstlerischem Feingefühl bewusst widersetzt, um Dampf abzulassen, wurden kluge Schlange-Baum-See-Texte und Mantras beigestellt.

Die frühe Single Dead in the Head und Lieder wie Sex in der Stadt, Liebe ist ein Hospital, Stromtod oder Kokain Cowboy künden von einer Zeit, in der es in Wien ungefähr fünf erträgliche Lokale gab, in die man gehen konnte, wenn man nicht bei der Bundeshymne im ORF das Licht ausmachen wollte. Es war Rock, aber auch der Modernist konnte diese schon damals nicht ganz moderne Musik ertragen.

Zum veteranenfreundlichen Nostalgiefrühabend und einem seltenen Konzert dieser ungefähr einmal pro Jahrzehnt auftretenden Band strömten am Wochenende Hundertschaften Überlebender der Generation U4 (Lokal, nicht Linie. Oder: Linie im Lokal).

"Spü was, Oida!"

Die einstigen Wachbleiber erlebten gegen Ende der Personale Peter Weibel - Medienrebell im 21er-Haus nicht nur ein gut gelauntes Konzert mit den Gründungsmitgliedern Weibel, Loys Egg und Paul Braunsteiner (Gitarren) sowie den Neuzugängen Franz Dorfner (Bass) und dem 40-jährigen Kinderschlagzeuger Didi Kern. Möglicherweise auch dank einer gewissen Altersmilde des 70-jährigen Peter Weibel waren sogar dessen um Postanthropie, DNA, psychedelisches Hi-Fi und nackte Groupies aus vergangenen Zeiten kreisende Zwischenansagen verständlich. Wenn es länglich wurde, stand dankenswerterweise ein Weckrufer im Publikum: "Spü was, Oida!"

Nach 1982 und dem durchgespielten Schwarze Energie wurde nun sogar ein neues Album vorgestellt: Face to Face. Die Musik ist wertbeständig und ein wenig gemütlicher als früher rockend. Wir sind Daten oder Follow your DNA setzen allerdings die Tradition einer immer wieder zerstrittenen Band fort, die schon sehr früh bei sich selbst angekommen war. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 12.1.2015)