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Das Begräbnis der Opfer des Anschlags auf die Polizeiakademie am 7. Jänner in Sanaa: Dabei wurden vierzig Menschen getötet und mehr als siebzig verletzt. Die Aktivitäten der Al-Kaida im Jemen nehmen kontinuierlich zu, seit die schiitischen Huthis die Politik beherrschen.

Foto: EPA / Yahya Arhab

Durch die Anschläge in Paris ist auch plötzlich der Jemen wieder auf der medialen Landkarte: Einer der beiden Brüder Kouachi wollte die Welt wissen lassen, dass sie im Namen von Al-Kaida im Jemen handeln, und AQAP, wie die Organisation "Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel" nach ihrem englischen Akronym genannt wird, hat sich mittlerweile auch bekannt. Ihre militärische Ausbildung sollen die Attentäter in einem Al-Kaida-Lager im Jemen erhalten haben.

Im Jemen selbst nehmen die Al-Kaida-Aktivitäten - das heißt Anschläge - seit Monaten kontinuierlich zu, trotz des ebenso kontinuierlichen Drohnenkriegs, bei dem ja auch bereits im September 2011 Anwar al-Awlaki getötet wurde, den Chérif al-Kouachi namentlich erwähnte. Die New York Times widmete Awlaki beziehungsweise dessen Strahlkraft über den Tod hinaus am Wochenende einen langen Artikel. Darin wird auch Morten Storm, ein früherer dänischer islamistischer Militanter, heute im Antiterrorkampf, zitiert: "Wenn man Al-Kaida der alten Schule will, dann muss man noch immer nach Jemen."

Wettbewerb der Jihadisten

Al-Kaida, die als jihadistische Nummer eins zuletzt vom "Islamischen Staat" abgelöst wurde, meldet sich mit dem Attentat international zurück, wobei fraglich ist, ob es auch eine operative Verbindung gab. Awlaki, von dem zahlreiche Videos im Internet kursieren, hatte jedenfalls mehrfach zur Ermordung von Muhammad-Karikaturisten aufgerufen.

Der Jemen wurde gleich nach 9/11 Schauplatz des US-"war on terror": Der schwache Staat, in dem die Zentralregierung nie Kontrolle über das gesamte Staatsterritorium ausübte, wurde im Süden bald zum sicheren Hafen für Jihadisten aus Afghanistan und Pakistan und Trainingsplatz für viele andere. Al-Kaida war auch deshalb erfolgreich, weil sie Kämpfer südlicher Stämme rekrutieren konnte, die sich im wiedervereinigten Jemen vom Norden politisch marginalisiert fühlten.

Auch jetzt führt Al-Kaida neben ihrem globalen Krieg auch einen spezifisch jemenitischen: Nachdem 2012 Langzeitpräsident Ali Abdullah Saleh sein Amt an seinen Vizepräsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi übergeben musste, trat das Land in einen von den arabischen Golfstaaten unterstützten schwierigen Transitionsprozess ein. Eine monatelange "Nationale Dialogkonferenz" (NDC), die 2014 endete, legte die Basis für umfassende Staatsreformen - etwa auch für eine Dezentralisierung, um den entfremdeten Landesteilen einen Verbleib zu versüßen.

Mehrere Kriegsrunden

Das ist neben dem Süden und seiner starken Sezessionsbewegung vor allem der zaiditische Norden. Die Zaiditen, die im Nordjemen bis zur Revolution 1962 die Herrscherdynastie stellten, sind Schiiten (wenngleich eine bereits in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts von der schiitischen Hauptströmung abgespaltene Gruppe). 2004 startete ein zaiditischer Clanchef, Hussein Badreddin al-Huthi, eine Revolte gegen Sanaa, mehrere Kriegsrunden folgten. Trotz Niederlagen weiteten die Huthis das von ihnen kontrollierte Gebiet im Norden um die Stadt Saada aus.

Die Huthis nahmen nach einem Waffenstillstand am Nationalen Dialog teil, waren jedoch mit den Ergebnissen unzufrieden: unter anderem mit einer Einteilung des Jemen in sechs neue Regionen mit völlig neuen Grenzen für Saada (ohne Meereszugang). Sie nahmen ihre Kampagne wieder auf, übernahmen im Juli weite Teile des Nordens - und im September, als es zu Protesten wegen des Wegfalls der Benzinpreisstützung kam, die Hauptstadt Saada, wo sie die Regierung zum Rücktritt zwangen und alle Übergangsarrangements auflösten. Sie dominieren heute die Politik und streben wohl eine weitere territoriale Ausweitung an.

Al-Kaida rekrutiert

Expräsident Saleh - früherer Kriegsgegner der Huthis und nur einer von etlichen innenpolitischen Spielern - wird nachgesagt, die Huthis für seine eigenen Machtpläne zu benützen. Ihre Einnahme von Sanaa hilft Al-Kaida wiederum beim Rekrutieren. Denn es geht ja nun auch darum, Schiiten, hinter denen der Iran vermutet wird, zu bekämpfen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 12.1.2015)